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Politik: CDU/CSU: Zwietracht säen

"Das wird die Grünen zerbröseln." Die Prognose über die Zukunft der kleinen Regierungspartei kommt aus dem Umfeld eines der wichtigeren Unionspolitiker.

Von Robert Birnbaum

"Das wird die Grünen zerbröseln." Die Prognose über die Zukunft der kleinen Regierungspartei kommt aus dem Umfeld eines der wichtigeren Unionspolitiker. Sie zeigt so etwas wie die Rückkehr zur Normalität im Ausnahmezustand an. "Jetzt ist nicht die Zeit für Parteitaktik", hatte unter dem ersten Terror-Schock so ziemlich jeder Bundespolitiker versichert. Ganz gestimmt hat es nie, inzwischen ist auch das Lippenbekenntnis verstummt. Der Terror in Amerika verschiebt die innenpolitischen Koordinaten. Und Parteitaktiker schieben kräftig mit.

Angefangen haben wieder mal die Bayern. Doch Edmund Stoibers Ruf nach Einbindung der Opposition in die Verantwortung in einem "Nationalen Sicherheitsrat" kam aus Berliner Sicht zu früh. "Die Verantwortung der Bundesregierung ist nicht teilbar", wies Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye die Avancen des CSU-Mannes kühl ab. In der Praxis herrscht Aufgabenteilung: Die Opposition wird von der Regierung außen- und sicherheitspolitisch informiert, sie entscheidet aber nicht mit.

Eine Trennung, an der führende Unionspolitiker gerne noch eine Weile festhalten würden. Denn sie erleichtert der Opposition jene Doppelstrategie, die Fraktionsvize Wolfgang Bosbach in die Formel einer "großen Koalition der Vernunft" gekleidet hat. Was ein Boulevardblatt zum Ärger der Unionsführung prompt missverstanden hat als Ruf nach einer "großen Koalition" im Wortsinne. Dabei ist die Variante mit "Vernunft" die raffiniertere: Wer nicht der Hauptströmung folgt, steht schnell als unvernünftig da.

Wie das geht, haben die Grünen erlebt. Den Vorschlag der Union, in die gemeinsame Resolution des Bundestages am Mittwoch Gerhard Schröders Wort vom Terror als "Kriegserklärung gegen die zivilisierte Völkergemeinschaft" aufzunehmen, konnte die Grünen-Spitze gerade noch abbiegen - wissend, wie allergisch viele in den eigenen Reihen auf das Wort "Krieg" reagieren. Aber auf eine andere Formel hat die CDU/CSU durch alle fünf Resolutionsentwürfe hindurch bestanden: Deutschland bekenne sich zur "Bereitstellung geeigneter militärischer Mittel". "Das war unser Knackpunkt", sagt ein Unionspolitiker.

Es war zugleich der Knackpunkt für fünf Koalitionsabgeordnete: Der SPD-Mann Uwe Jens und vier Grünen-Abgeordnete sagten Nein zum Militär. Ein von der Union höchst beabsichtigter Nebeneffekt. Wenn Risse in der Koalition sichtbar werden, wenn der Kanzler der eigenen Mehrheit nicht sicher sein kann, schlägt die Stunde der staatstragenden Opposition. In der Bereitschaft, auch riskante Militäroperationen mitzutragen, werde sich die Union von keinem überbieten lassen, lautet die Losung. "Und mit Schily verstehen wir uns ja sowieso." Mancher sieht schon das Ende von Rot-Grün vor sich - vielleicht das Ende der Grünen überhaupt: "Die werden sich verleugnen bis zur Selbstaufgabe - aber dann sind sie weg", sagt ein Unionsmann.

Christdemokratisches Wunschdenken? "Wir dürfen uns keine Illusionen machen", sagt ein führender Oppositionspolitiker. In der Koalition nimmt man die Gefahr offenkundig ernst. SPD-Fraktionschef Peter Struck sah sich am Donnerstag genötigt zu versichern, es bestehe keine Gefahr für das Regierungsbündnis: Auch bei den Grünen sei verstanden worden, dass sich Solidarität nicht in Worten erschöpfe. Grünen-Geschäftsführer Reinhard Bütikofer aber hat am gleichen Tag vor "großkoalitionären Tendenzen" gewarnt - und zugleich genau den inhaltlichen Spagat vorgeführt, der diesen Tendenzen Vorschub leistet: "Man kann sich nicht verbiegen." Entscheidungen könne seine Partei nur am eigenen Gewissen messen "und nicht an dem Maßstab, welche Koalition kommt dabei heraus".

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