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In der Frage wie der Flüchtlingszustrom zu bewältigen ist, herrscht Uneinigkeit zwischen Julia Klöckner und der Kanzlerin.

© Uwe Anspach/dpa

CDU-Debatte um Flüchtlingspolitik: Merkel will von Klöckners Kritik nicht wissen

Die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin hat bisher eine gekonnte Gratwanderung zwischen Loyalität und Distanz zur Parteichefin hingelegt. Jetzt lag sie daneben.

Von Robert Birnbaum

Volker Kauder ist in diesen Tagen ziemlich häufig ziemlich sauer, aber wer Montagfrüh den Fernseher anschaltet, der kann ihn dabei auch mal live erleben. Der Unionsfraktionschef sitzt im ARD- Studio und rügt seine Wahlkämpfer. „Jeden Tag neue Vorschläge führt, glaube ich, nicht zum Ziel“, knurrt Kauder, und dass er „allen“ nur raten könne, sich hinter die Kanzlerin zu stellen. Wer die „allen“ sind, die solche Mahnung nötig haben, sagt Kauder nicht. Muss er ja auch nicht. Wer Kronzeugen dafür sucht, dass die Union nicht mehr an Angela Merkels „europäische Lösung“ für die Flüchtlingskrise glaubt, kann sich neuerdings auf Julia Klöckner und Guido Wolf berufen.

Richtig recht ist das den beiden übrigens nicht, besonders Klöckner nicht. Die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin hat bisher in ihrem Landtagswahlkampf eine ziemlich gekonnte Gratwanderung hingelegt zwischen Loyalität zur Parteichefin und skeptischer Distanz. Die Loyalität ging bis hin zu hymnischen Sätzen wie: „Es ist immer einfach, bei Sonnenschein über die Felder zu gehen. Aber wenn’s stürmisch wird, dann zeigen sich wahre Haltungen.“ Der CDU-Neujahrsempfang, bei dem Klöckner ihre Kanzlerin derart einführte, klatschte schon damals etwas zögerlich; Silvester und Köln lagen noch nicht lange zurück.

Die Distanz hört auf das Kürzel „Plan A2“. Klöckner hat ihn, als sie ihn Ende Januar vorstellte, als „Ergänzung“ zu Merkels europäischen Lösungsansätzen verkauft. Das war schon damals etwas gewagt, weil „tagesaktuelle Kontingente“ von Flüchtlingen, die ab sofort nur noch über die deutsche Grenze kommen dürfen, mit Merkels Plan nur schwer in Einklang zu bringen waren. Aber der Regierungssprecher und der CDU-Generalsekretär murmelten bloß etwas von Elementen der Übereinstimmung, und so blieb der Eklat zum beiderseitigen Vorteil aus.

Debatte um "tagesaktuelle Kontigente"

Eigentlich hätte es genau so weitergehen sollen. In Mainz hatten sie sich schon vor dem EU-Gipfel überlegt, dass in Brüssel wahrscheinlich nichts passieren würde, was scharenweise AfD-Wähler wieder zur CDU zurücktreiben würde. Also, haben sie sich gedacht, bringen wir „A2“ in Erinnerung. Und damit das richtig gut klappt, spannen wir den Baden-Württemberger Wolf und Rainer Haseloff aus Sachsen-Anhalt gleich mit ein. Haseloff sprang ab. Wolf unterschrieb die „gemeinsame Erklärung“. Aber diesmal ging die Gratwanderung schief.

Allein an den Formulierungen dieser Erklärung liegt das nicht; das stand alles so ähnlich schon in „Plan A2“. Nur fehlten dort noch Sätze wie der: „Zu zögern, nicht zu handeln, wird letztlich jedoch mehr Schaden und Schmerz verursachen.“

An Sigmar Gabriel allein liegt es auch nicht. „Es ist weder klug noch anständig, der deutschen Kanzlerin mitten in den europäischen Verhandlungen in den Rücken zu fallen“, tadelte der SPD-Chef. Gabriel steht wegen dieser Landtagswahlen mindestens so stark unter Druck wie Merkel.

Die große Koalition der Verlierer stellt sich demoskopisch im Moment ja so dar, dass in Sachsen-Anhalt die Sozialdemokraten hinter der AfD landen könnten, dafür in Baden-Württemberg die CDU auf Platz Zwei hinter den Grünen.

Verständlich also, dass einem SPD- Chef jede Chance recht ist, in Schwächen der Konkurrenz hineinzustoßen. Aber das erklärt das Echo nicht, das Klöckner und Wolf auslösten. Die Erklärung ist einfacher. Nach dem weitgehend ergebnislosen Brüsseler Gipfel haben alle darauf gewartet, dass der Sturm der üblichen Entrüsteten losbricht. Kam aber keiner. Selbst Horst Seehofer hielt sich zurück. Und plötzlich stand das Duo alleine auf der Bühne.

Montagmorgen schaltet sich der CDU-Vorstand per Telefon zusammen. Merkel geht auf den Vorgang nicht weiter ein. Klöckner und Wolf versuchen Schadensbegrenzung. Das Wort von der „Ergänzung“ fällt wieder. Klöckner hat schon am Vorabend versucht, den Ausreißer wieder einzufangen, per Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin mir mit Angela Merkel völlig einig, dass wir europäische Probleme europäisch lösen müssen“, versichert sie und behauptet: „Wer die Erklärung liest, sieht den Schulterschluss mit der Kanzlerin.“

"Ein Steuerungsinstrument fehlt bisher"

Wolf hat nicht ganz so schnell gemerkt, dass er dabei ist, sich die Finger zu verbrennen. Er hat ebenfalls ein Interview gegeben, es erscheint aber in der „Bild“-Zeitung, ist verhältnismäßig einsilbig und versucht noch einigermaßen die Linie zu halten: „Wir werden den Zuzug nur in den Griff bekommen können, wenn wir ein Steuerungsinstrument haben“, sagt der Mann aus Stuttgart. „Dieses fehlt uns bisher.“

Merkel lässt derweil ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten, dass es sich um „parteiinterne Überlegungen“ handele, zu Deutsch: Als Regierungschefin geht mich das nichts an. Kanzleramtschef Peter Altmaier erklärt die Mainzer Forderungen kurzerhand zu rein „technischen“ Fragen.

Das sind sie nun wirklich nicht. Sie gehen eher in Richtung der derzeit viel gescholtenen Österreicher. Aber was soll der Flüchtlingskoordinator sonst sagen? Hinter den Kulissen schütteln sie in Berlin den Kopf. „Es nützt ihnen ja nichts“, sagt einer aus der CDU-Führung über die zwei Wahlkämpfer. Merkel dürfe ihnen gar nicht entgegenkommen, wolle sie nicht ihre Linie gefährden. Also stehen die Zwei am Ende dann doch bloß als ziemlich zahnlose Provinztiger da, die laut brüllen, hauptsächlich vor Angst.

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