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Gute Aussichten. Oft wurde Julia Klöckner (CDU) belächelt. Derzeit hat sie allen Grund zu strahlen.

© dpa

CDU in Rheinland-Pfalz: Die kontrollierte Offensive der Julia Klöckner

Der CDU in Rheinland-Pfalz und ihrer Chefin Julia Klöckner gefallen Flüchtlinge als Wahlkampfthema gar nicht mehr so schlecht. Ein Besuch.

Von Robert Birnbaum

Der Weg vom rechten Rand ins Mittelfeld kann kurz ausfallen, wenn die Weltgeschichte mitspielt. Julia Klöckner hat ihn in zwei Monaten absolviert, und das ohne einen einzigen Schritt.

Als die rheinland-pfälzische CDU-Chefin vor Monaten ein Burka-Verbot forderte, zogen Parteifreunde die Augenbrauen hoch und die politische Konkurrenz über sie her. Am Freitagnachmittag sitzt Klöckner in der Caritas-Sozialstation von Mayen und strahlt zufrieden in sich hinein. Das liegt an dem alten Herrn neben ihr mit dem verwitterten Gesicht, den spitzen Ohren und den hellwachen Äuglein. Der alte Herr ist Heiner Geißler. „In Deutschland, nichwahr, darf niemand vermummt herumlaufen, ganz egal was ein Mullah, ein Imam oder ein Ajatollah sagt“, doziert Geißler. „Dieses Erscheinungsbild macht den Menschen absolut Angst!“

Vorwahlkampf in Zeiten der Flüchtlingskrise ist keine einfache Sache

Klöckner bedankt sich artig, „vielen Dank, Herr Geißler!“ Sie strahlt immer noch. Vorwahlkampf in Zeiten der Flüchtlingskrise ist für eine Stellvertreterin Angela Merkels keine einfache Sache. Aber im Moment kommt Klöckner damit ganz gut zurecht. Als sie den Anti-Burka-Vorstoß startete, haben sie selbst Christdemokraten spöttisch gefragt, ob es in der Pfalz eine, zwei oder womöglich gar drei Vollverschleierte gebe. Inzwischen fragt keiner mehr. Die Flüchtlingswelle hat zwar die Zahl der Schleierträgerinnen nicht vermehrt, eher im Gegenteil. Aber das Thema dahinter ist plötzlich sehr aktuell. Auf einmal gerät nicht mehr automatisch in Pegida-Verdacht, wer über deutsche Leitkultur spricht.

Das Wort hat bekanntlich Friedrich Merz einst in die Debatte eingeführt. Passenderweise berät der Ex-Fraktionschef heute die Wahlkämpferin Klöckner, als Vorzeigemann für Wirtschaft. Geißler, der legendäre CDU-Generalsekretär und vormalige Landes-Arbeitsminister, ist ihr Mann fürs Soziale. Der Einsatz der beiden Promis illustriert, in welchem Maß die 42-Jährige zur Hoffnungsträgerin aufgestiegen ist. Seit Klöckner 2009 von Berlin nach Mainz ging, hat sich die zerzankte CDU zusammengerauft. Bei der Landtagswahl im März hat sie erstmals seit Jahrzehnten wieder eine Chance.

Fukushima kostete die CDU die Macht in Baden-Württemberg

Dass die Flüchtlingskrise die zunichte machen kann, wenn es weiter Merkels Krise bleibt, ist allen klar. Klöckner hat vor Wochen in der Runde der CDU-Landesfraktionschefs an Fukushima erinnert. Die Atomkatastrophe kostete die CDU die Macht in Baden-Württemberg.

Andererseits – wie sagt ihr Bruder Stephan später am Abend auf dem elterlichen Weingut in Guldental? Als Winzer muss man das Wetter nehmen wie es kommt. Außerdem taugt Klöckner nicht zur Pessimistin. Dass sie auf CDU-Parteitagen stets das beste Wahlergebnisse unter den Merkel-Vizes bekommt, liegt ja nicht zuletzt an ihrer schlagfertigen Fröhlichkeit. Früher wirkte das bei aller Volksnähe manchmal naiv, inzwischen kontrolliert sie ihr Auftreten ziemlich genau.

Naiv ist sie sowieso nicht. Den Ruf nach dem Burka-Verbot begründet Klöckner progressiv, als Verteidigung der Frauenrechte gegen Rückfälle ins Mittelalter. Vom Kleinbürger, der sich von den Fremden bedrängt fühlt, bis zum Latte- Macchiato-Milieu kann da jeder nicken.

Nach dem ersten Schreck finden sie es in der Landes-CDU denn auch gar nicht so schlecht, dass die Flüchtlingsfrage den Wahlkampf dominiert. Die rot-grüne Landesregierung tut sich damit nämlich schwer. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zum Beispiel redet neuerdings nicht mehr so laut vom Segen eines Zuwanderungsgesetzes, sondern von den Grenzen der Aufnahmefähigkeit. Klöckner muss dazu nichts sagen.

Zur Flüchtlingsfrage hat Heiner Geißler eine sehr entschiedene Haltung

Erst recht nicht, wenn Geißler dabei ist. Eigentlich sollte der alte General über den Pflegenotstand auf dem Lande am Beispiel der Eifel referieren; er engagiert sich hier in Mayen für die örtliche Sozialstation. Aber zur Flüchtlingsfrage hat er eine sehr entschiedene Haltung, und wenn der 85-Jährige erst mal redet, dann redet er. Was Merkel gemacht hat, den Flüchtenden ein freundliches Gesicht zu zeigen: „eine glanzvolle und gute Leistung“, nennt Geißler das, ein Exempel christlicher Gesinnung. „Ich hoffe, dass sie bei dieser Position bleibt.“ Und zwar auch und gerade gegen „Haudraufs“ und „südöstliche Ecken-Ideologie“ Marke Horst Seehofer: „Man darf nicht wegen einiger Prozentpunkte die Seele der Partei verraten!“

Julia Klöckner kann sich bequem loyal hinter Angela Merkel stellen

Was die Seelenlage der Partei angeht, würde Klöckner diesen Satz nicht vorbehaltlos unterstreichen. Aber was soll’s? Sie kann sich bequem loyal hinter Merkel stellen, laut über ein „Integrationsgesetz“ nachdenken und sich ansonsten auf Sätze beschränken, die neuerdings politisch total korrekt sind. „Das gute Herz heißt nicht, dass man nicht auch Anforderungen stellen kann“, sagt sie. An die Sache mit der Burka erinnern sich die Leute schon von selbst.

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