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Politik: CDU-Krisensitzung: Wer sich ernsthaft auf den Dialog einlässt, der findet einen Konsens - auch mit Schröder. Das kann für die Union zum Problem werden

Nein, er ist nicht doof, das hat die CDU-Führung verstanden. Er ist für sie gefährlich.

Nein, er ist nicht doof, das hat die CDU-Führung verstanden. Er ist für sie gefährlich. Wie sehr, das hat die größte Oppositionspartei nach der Steuerdebatte endgültig begriffen. Ob nun bewusst oder nicht: Gerhard Schröder etabliert gerade eine Art System. Es fußt auf dem, sagen wir, dialogischen Prinzip und entwickelt suggestive Macht. Denn wohin führt Dialog, wenn er ernst genommen wird? Zu Konsens, jedenfalls fast immer. Und so würden dann mit der Zeit, wie die CDU-Vizevorsitzende Annette Schavan ihren Kollegen im Präsidium zur Warnung sagt, die "Konsensgespräche" zum Grundprinzip der Politik.

Begonnen hat es im Grunde im alten Athen. Die Griechen sprachen miteinander auf dem Marktplatz in Athen, der Agora. Sie pflegten Kommunikation, wie man heute sagt: Sie kamen zusammen und unterhielten sich. Probleme wurden anscheinend nicht gelöst, Kompromisse nicht gesucht. Sie redeten, sie wählten nicht. Aber sie redeten, bis etwas entstand, das als gemeinsame Übereinkunft, entwickelt aus verschiedenen Anschauungen, verstanden wurde. So sahen die alten Griechen Demokratie.

Die Geschichte geht allerdings noch weiter: Athen wuchs, die Zahl der Bürger auch, und die hatten immer weniger Zeit. Der bisherige Weg erschien den alten Griechen als zu zeitaufwändig und zu schwierig. Deshalb nahmen sie sich Anwälte, besonders gute, die sie bezahlten, ihre Meinungen zu vertreten, und dann wählten sie. Und ein griechischer Philosoph sagte: Die Wahlen waren das Ende der Demokratie, weil die Menschen nicht mehr zusammenkamen, um einander zuzuhören und eine Übereinkunft zu erzielen, die aus einem gemeinsamen Verständnis erreicht wird.

Die Gedankenwelt neu strukturieren

Der Dialog: Er ist das Prinzip, um zu einer Art "kollektiver Intelligenz" zu gelangen. So lange zusammenzusitzen und zu reden, bis jeder weiß, was zu tun ist - das ist also eine alte Geschichte. Und eine alte Fähigkeit des Menschen, denn das Gehirn hat sich, anders als unsere Kultur des Zusammenlebens, in den letzten zweitausend Jahren nicht so sehr verändert. Dialog ist der praktikabelste Weg, die Gedankenwelt neu zu strukturieren. Zum Beispiel, wenn wir uns oder die Gesellschaft ändern wollen. Das ist Teil des Prinzips: Sich von alten Annahmen lösen, sie neu anschauen, und das in einer Weise, die für uns heute nützlich ist.

Dialog funktioniert gut in kleinen Gruppen. Auch in einer Gruppe von 25 bis 30 Menschen, wie die Oxforder Physikerin Donah Zohar zur Physik des Bewusstseins sagt - womit wir wieder bei der CDU wären. In solchen Gruppen nämlich ist der Dialog noch "sehr kraftvoll und fähig, ihre kollektive Intelligenz in Gang zu setzen und ihr Denken neu zu strukturieren, sozusagen frischen Wind in die Köpfe zu bringen".

Wir sind alle voller Meinungen und haben ein eigenes Weltbild. Ein guter Dialog macht unser Weltbild deutlich. Und er ist wie ein Blick in den eigenen Kopf. Donah Zohar zum Weg, sich ein neues Weltbild aufzubauen: "Wenn Sie sich einmal über Ihre Meinungen im Klaren sind, die sie eigentlich nicht mögen, dann ändert das schon eine ganze Menge, denn das ist schon ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin." Das hat die Physikerin schon vor fünf Jahren gesagt. Die CDU-Führung - mindestens 25 Personen - hat von heute an zunächst einmal die Möglichkeit, sich über das klar zu werden, was sie nicht will. Im Dialog. Mit sich. Und danach mit Schröder? Wenn er und sein System ihr nicht zu gefährlich sind.

Annette Schavan hat schon vor der CDU-Präsidiumssitzung gewarnt, es dürfe nicht der Eindruck entstehen, bei jedem Thema werde ein großes Bündnis geschlossen. "Damit werden wir auch der verschiedenen Verantwortung von Regierung und Opposition nicht gerecht." Zur Demokratie von heute gehört schließlich die Wahl.

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