zum Hauptinhalt
Bundeskanzlerin Angela Merkel will nun doch auf dem CDU-Parteitag über Europa debattieren.

© dpa

CDU-Kursdebatte: Angela Merkels neue Liebe zu Europa

Die Union kommt heute zu einer Sondersitzung im Bundestag zusammen, um über die Euro-Schuldenkrise zu debattieren. Die Kanzlerin scheint dabei entschlossen, mehr für das Projekt Europa zu werben. Das muss sie auch, um den Unmut in ihrer Partei aufzufangen.

Von Robert Birnbaum

Wolfgang Bosbach ist nicht vorgekommen beim ersten Treffen der CDU-Spitze nach der turbulenten Sommerpause, jedenfalls nicht namentlich. Indirekt war der Innenpolitiker, der sich am Wochenende unter die Skeptiker in Sachen Euro-Rettung eingereiht hatte, sehr wohl präsent im Konrad-Adenauer- Haus. Bosbach ist manchmal ein bisschen flott mit dem Interview-Wort. Aber der Mann aus dem Bergischen hat das Ohr dicht am Volk. Und dem Volk, speziell dem Parteivolk, ist schon seit langem unwohl beim Gedanken daran, wie die eigene Kanzlerin und Parteivorsitzende um einer höchst ungewissen Rettung Griechenlands und anderer Pleitekandidaten willen eine Position nach der anderen räumt.

Angela Merkel hat, auch amtsbedingt, das Ohr nicht ganz so dicht am Volk, ist aber natürlich ebenfalls nicht taub. Den Ruf des Chefs der Jungen Union, Philipp Missfelder, nach einem Sonderparteitag hat sie zwar gezielt überhört – was umso leichter fiel, als Missfelder selbst am Montag nur auf einem solchen Sondertreffen bestand für den Fall, dass Europa demnächst Dinge beschließen sollte, die Merkel selbst nicht will, Euro-Bonds zum Beispiel. Aber noch bevor in Präsidium und Vorstand jemand etwas sagen konnte, kündigte Merkel schon an, dass der reguläre Parteitag im November um den Tagesordnungspunkt Europa erweitert wird. Generalsekretär Hermann Gröhe soll bis Ende Oktober einen Leitantrag dazu vorlegen. In der Kommission, die das Papier verfasst, sitzen neben dem Finanzminister Wolfgang Schäuble und den CDU-Vizes Volker Bouffier und Ursula von der Leyen ausdrücklich auch Kritiker wie Missfelder oder der Wirtschaftsexperte Michael Fuchs.

Dass selbst CDU-Spitzenleute, die Merkels Europakurs seit längerem skeptisch sahen, die Sitzung hoffnungsvoll verließen, lag allerdings nicht in erster Linie an dieser eher prozeduralen Zusage. Dass der Parteitag offiziell debattieren wird – und nicht nur zufällig, wenn einer das Thema anspricht – sichert ja noch keine Zustimmung zum Kurs. Zuversichtlicher stimmt etliche Mitglieder der Parteispitze da schon der Eindruck, dass Merkel sich endlich entschlossen hat, das Thema grundsätzlich anzugehen. „Da ist neuer Drive drin“, sagt ein Vorständler. Die Chefin habe diesmal nicht nur über irgendwelche technischen Details von Finanztransfers geredet, sondern so etwas wie Pathos für das Projekt Europa durchklingen lassen. „Das Bekenntnis lautete: Wir brauchen mehr Europa“, berichtete der Zuhörer. Merkel habe die deutsch- französischen Beschlüsse von Paris ausdrücklich nicht als Notreaktion auf die fortdauernde Euro-Krise verstanden wissen wollen, sondern als Schritte in die Zukunft einer noch engeren Gemeinschaft.

Tatsächlich beschreibt der gemeinsam mit Präsident Nicolas Sarkozy vorgelegte Plan mit seinen Schritten in Richtung einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung einen Weg, dem Merkel selbst noch vor kurzem eher skeptisch gegenüberstand. Andere wie Schäuble denken längst in diese Richtung. „Schäuble stand diesmal nicht allein“, resümierte ein Beobachter die zweistündige Grundsatzdebatte im Parteipräsidium.

Doch auch in anderer Hinsicht erweisen sich die Pariser Beschlüsse als cleveres Paket. Fuchs ebenso wie der neue Landeschef von Baden-Württemberg, Thomas Strobl, haben darin zwei Stichworte entdeckt, die ihnen ausnehmend gefallen haben. Dass es eine Finanztransaktionssteuer geben solle und eine europäische Schuldenbremse, sagte Strobl, habe ihn „regelrecht begeistert“. Wirtschaftsmann Fuchs zeigte sich „dankbar“ für die Schuldenbremse-Pläne. Dabei dürften sich beide keiner Illusion hingeben, was die praktische Wirksamkeit einer solchen Regelung angeht – Griechenland ist schließlich trotz aller Brüsseler Stabilitätspakte in die Pleite gesteuert. Aber „Schuldenbremse“ ist etwas, was normale Menschen verstehen können. „Schuldenbremse“ klingt eben doch wieder nach schwäbischer Hausfrau und nicht nur nach Zahlmeisterin.

Ob das reicht, die Sorgen an der Basis zu zerstreuen, ist eine andere Frage. Aber die Formel gibt CDU-Funktionären zum ersten Mal seit langem wieder etwas in die Hand, womit sie für den Kurs der Spitze werben können. „Wir sind für die Stabilitätsunion, nicht für die Haftungsunion“, sagte Gröhe nach der Sitzung – noch so eine Wortschöpfung, die einen Anker bieten soll im Treibsand der Krise. Klar abgelehnt hat der Spitzenkreis hingegen noch einmal die Forderung der Opposition nach Euro-Bonds. Gemeinsame Schuldscheine der Union taugten nicht als Mittel gegen die aktuelle Krise, weil sie umfangreiche und zeitraubende Änderungen der Europa-Verträge erforderlich machen, vor allem aber den Druck auf die einzelnen Mitglieder zu Sparanstrengungen vermindern würden. Ob Euro-Bonds später, wenn die Gemeinschaft in der Wirtschafts- und Finanzpolitik einmal enger zusammenarbeite als heute, als Instrument infrage kämen, werde dann eine „diskussionswürdige Anfrage an die Europapolitiker“ darstellen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false