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Einst Gesundheitspolitiker, demnächst Krankenkassenchef: Andreas Storm.

© picture alliance / dpa

CDU-Politiker Andreas Storm wird Chef der DAK: Comeback eines Pechvogels

Erst verlor er sein Bundestagsmandat, dann seinen Kabinettsposten im Saarland. Nun startet der CDU-Politiker Andreas Storm neu durch. Er wird Chef der drittgrößten Krankenkasse Deutschlands.

Dass der Mann erfolglos gewesen wäre, lässt sich nicht behaupten. Andreas Storm war im politischen Betrieb so ziemlich alles, was man darin werden kann – vom Bundesminister mal abgesehen. Erst Chef der Arbeitsgruppe Gesundheit und Soziale Sicherung in der Unionsfraktion. Dann Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium. Dann Beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Dann Staatskanzleichef im Saarland. Schließlich ebendort Gesundheits- und Sozialminister.

Mit 50 war die politische Karriere plötzlich zu Ende

Doch im November 2014 war plötzlich Schluss. Eine überraschende Kabinettsumbildung – und der CDU-Hoffnungsträger war weg vom Fenster. Politische Karriere beendet, mit gerade mal 50. Ohne eine Wahl verloren oder fachliche Fehler gemacht zu haben. Einfach nur aus Proporzgründen, aufgrund einer Konstellation, in der man ihn nicht mehr brauchte. Falsche Zeit, falscher Ort.

Storm, der Pechvogel. Er hatte das schon mal – als ihm 2009 sein Bundestagsmandat abhanden kam. Erst unterlag er im Wahlkreis Darmstadt gegen Justizministerin Brigitte Zypries haarscharf mit 45 Stimmen. Dann funktionierte auch die vermeintliche Absicherung per Landesliste – Storm rangierte auf Platz vier – nicht. Der Grund: Die CDU holte in Hessen rekordverdächtige 15 Direktmandate. Die natürlich den Vorzug erhielten. „Ich wurde“, bringt es Storm auf den Punkt, „zum Opfer des Wahlerfolges der Union.“

Eineinhalb Jahre aus der Öffentlichkeit

Damals rettete ihn ein hessischer Landsmann. Der kurzzeitige Arbeitsminister Franz-Josef Jung machte aus dem Parlamentarischen einen Beamteten Staatssekretär. Diesmal half ihm keiner. 19 Monate war der gelernte Diplomvolkswirt aus der Öffentlichkeit verschwunden. Eine Karenzzeit, die der Jobsuche diente. Und der Neuorientierung.

Nun ist er wieder da. Und wie: Andreas Storm wird Krankenkassenchef, er rückt an die Spitze des drittgrößten gesetzlichen Versicherers. Zum Jahresende beerbt er den DAK-Vorsitzenden Herbert Rebscher. Seit Anfang Juli amtiert er dort schon als Vize.

Sein neuer Arbeitgeber: ein schwieriger Fall

Ob das ein Glücksgriff ist, muss sich weisen. Mit den gut 250.000 Euro, die ihm der Job einbringt, verdient Storm zwar besser als die Kanzlerin. Doch sein neuer Arbeitgeber tut sich gerade nicht leicht im Wettbewerb. Hohe Verwaltungskosten, schwerfällige Strukturen, überalterte Versicherte – man könnte auch sagen, es handelt sich um einen Sanierungsfall. Und zuletzt gingen dem Unternehmen durch eine happige Zusatzbeitragserhöhung schlagartig 200.000 Kunden verloren. Was kein Wunder ist. Die DAK firmiert nun als einer der teuersten gesetzlichen Anbieter. Ihr Satz liegt 0,4 Punkte über dem Schnitt.

Doch Storm fühlt sich der Angestelltenkasse verbunden. Seine Eltern waren dort versichert, er selber auch, bevor es ihn ins Parlament zog – und zu dem umtriebigen Rebscher hatte er schon als Politiker guten Kontakt.

Der Chefposten sei, gibt der Neue zu, „eine große Herausforderung“. Aber die Probleme seien „alle lösbar“. Man müsse sich eben bemühen, auch für Jüngere attraktiver zu werden. Und allen Versicherten für ihr Geld einen „Mehrwert“ zu bieten. Auf einen „Unterbietungswettbewerb“ bei den Beiträgen werde er sich nicht einlassen.

Bis 2018 über 2000 Stellen abzubauen

Als Erstes muss er sich dennoch unbeliebt machen. Bis Ende 2018 sind bundesweit über 2000 Stellen abzubauen – ein Fünftel des gesamten Mitarbeiterstammes. Storm muss sich mit Gewerkschaften streiten, Sozialpläne austüfteln, Beschäftigte zum Ortswechsel bewegen oder aufs Altenteil schicken. Bundesweit sollen nur 300 große Geschäftsstellen übrig bleiben, alle kleineren Filialen werden dichtgemacht. Wie man hört, rumort es schon mächtig in dem Unternehmen.

Als Gesundheitspolitiker war Storm daran beteiligt, den Kassen harten Wettbewerb zu verordnen. Als Jobwechsler muss er die Suppe nun auslöffeln. Schon 2003 brachte sich der CDU-Politiker mit Horst Seehofer kräftig bei Ulla Schmidts GKV-Modernisierungsgesetz ein. Man erfand Praxisgebühr und Fallpauschalen, strich Sterbegeld und Brillenzuschuss, begrenzte die Verwaltungsausgaben der Kassen.

Vom Staatssekretärsposten ins Jamaika-Experiment

Mit dem Unionserfolg 2005 lockte die Exekutive. Da sich Arbeits- wie Sozialministerium in SPD-Hand befanden, musste Storm aber das Fach wechseln. Unter Annette Schavan wurde er Bildungs- Staatssekretär. Danach ging es beamtet weiter – im zusammengelegten Arbeits- und Sozialministerium. Und als ihn Annegret Kramp-Karrenbauer für ihr Jamaika-Experiment im Saarland anwarb, konnte er auch nicht Nein sagen.

Bei einer Kabinettsrochade zur Halbzeit blieb der Gesundheitsminister dann auf der Strecke. Die Regierungschefin benötigte einen mit Kommunalfinanzen erfahrenen Innenminister. Sie fand ihn in Klaus Bouillon, Bürgermeister der Kleinstadt St. Wendel. Die regional bestens verankerte Innenministerin Monika Bachmann, die Anfang 2012 schon einmal kurz Gesundheitsministerin war, brauchte im Kabinett einen neuen Job. Und das war es dann für den reingeschmeckten Hessen.

Anfangs noch Entzugserscheinungen

Storm hat seinen Frieden damit gemacht. Anfangs habe er zwar „Entzugserscheinungen“ gehabt, gesteht der 52-Jährige. Dieses Kribbeln bei jeder politischen Debatte. Doch das sei vorbei. Schließlich habe er sich bewusst entschieden, was anderes zu machen. Und ,„noch mal richtig was zu bewegen.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 5. Juli 2016 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie jeweils bereits am Montagabend im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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