zum Hauptinhalt
Julia Klöckner (43) ist seit 2010 Vorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz und seit 2011 Fraktionschefin im Landtag. Sie studierte Politikwissenschaft, katholische Theologie und Pädagogik. 1995 war sie Deutsche Weinkönigin und dann Wein-Journalistin.

© dpa

CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz: Julia Klöckner: „Ich verstehe Bayern zu 99 Prozent“

Julia Klöckner, CDU-Spitzenkandidatin für Rheinland-Pfalz, spricht über den Unionsstreit in der Flüchtlingspolitik, die Blockadehaltung von Rot-Grün und ihren Respekt für Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Von Robert Birnbaum

Frau Klöckner, müssten Sie nicht ein wenig enttäuscht sein von Ihrer Kanzlerin?

Angela Merkel beeindruckt durch ihre Leistung für unser Land und durch ihr unerschöpfliches Engagement, Europa und unsere Gesellschaft zusammenzuhalten. Gemeinsam mit CDU und CSU ist sie Motor bei der Bewältigung der Herausforderungen – das sieht man am Asylpaket II. Alle Gesetzesänderungen zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen kamen von der Union und der Kanzlerin. Auf der anderen Seite richtet sie den Blick in Richtung Europa und Weltgemeinschaft. Ich wüsste gar nicht, wer anders als Angela Merkel das alles machen sollte – Herr Gabriel sicherlich nicht!

Zu Ihrem „Plan A2“ hat Merkels Sprecher gesagt, der werde kein Regierungshandeln.

Der Regierungssprecher ist Sprecher der gesamten Regierung, also auch der SPD. Es erwartet ja auch keiner, dass die Mainzer Erklärung des CDU-Vorstands eins zu eins ins Kabinett kommt. Aber dass unsere Impulse aus Rheinland-Pfalz aufgenommen werden, das sieht man zum Beispiel daran, dass jetzt auf einmal sogar die SPD-Arbeitsministerin Nahles eine Integrationspflicht einführen will und Sanktionen für Menschen, die keine Sprachkurse besuchen. Das fordern wir schon lange. Nach einer gewissen Zeit setzen sich unsere alltagsnahen Forderungen und Lösungen eben durch.

Ab wann tritt dann also „A2“ in Kraft?

Unser Plan ist als Ergänzung gedacht, nicht als Alternative für den Fall, dass Plan A nicht funktioniert. Wir müssen zweigleisig fahren. Beim EU-Gipfel im Februar wird es ganz wichtig sein, zu Ergebnissen zu kommen, die spürbar die Flüchtlingszahlen reduzieren werden. Aber Deutschland darf sich nicht nur von der Einstimmigkeit in der EU abhängig machen, dem Wohl- oder Nichtwohlwollen anderer. Wenn die Sicherung der EU-Außengrenzen nicht von allen vorangebracht werden kann, muss Deutschland das bilateral mit Griechenland, Italien und der Türkei verhandeln – und das geschieht ja auch schon.

Was wären denn gute Ergebnisse aus Brüssel vier Wochen vor den Landtagswahlen?

Weltprobleme und Brüsseler Ergebnisse orientieren sich nicht an Landtagswahlen. Lösungen müssen in Schritten und der Herausforderung angemessen gefunden werden, unabhängig von einem Wahltermin. Aber Europa sollte endlich erkennen, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist. Es muss endlich jeder seinen Beitrag leisten, an die Welthungerhilfe und das UN-Flüchtlingshilfswerk. Und entscheidend ist, dass wir vorankommen bei der Sicherung der EU-Außengrenzen. Es reicht nicht, noch einmal festzustellen, dass von den Hot Spots in Griechenland und Italien die meisten immer noch im Aufbau sind und einer irgendwie fertig. Da muss es einen klaren Zeitplan geben.

Andere fänden selbst so ein Ergebnis zu mager – die CSU zum Beispiel. Haben Sie noch Verständnis für die allwöchentlichen Drohungen aus Bayern?

Bayern bekommt die Auswirkungen der Flüchtlingskrise intensiver mit als andere. Ich kann nachvollziehen, dass Bayern besonderen Druck hat, und es wäre unangemessen, von Rheinland-Pfalz aus Ratschläge zu geben. Aber Bayern profitiert genauso wie wir enorm von offenen Grenzen und dem grenzüberschreitenden Handel. Insofern verstehe ich die Bayern zu 99 Prozent. In einem Prozent sind wir nicht beieinander: Die CSU spricht von einer festgemeißelten zahlenmäßigen Obergrenze, ich rede von flexiblen Tageskontingenten, das wird der sich verändernden Lage eher gerecht und ist auch mit offenen Grenzen umsetzbar.

Würden Sie Horst Seehofer nicht gerne auch sagen, was Sie im CDU-Vorstand den CDU-Kritikern geraten haben: „Einfach mal die Klappe halten!“?

Was hinter verschlossenen Türen gesagt wird, muss man ja nicht auch noch kommentieren. Mein Appell geht an die SPD, das Beschlossene umzusetzen, in der Analyse der Situation haben wir ja kein Erkenntnisdefizit. Diese Analyse ständig zu wiederholen, führt nicht weiter. Es hilft ja wenig, nur gefühlt für eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen zu sein, aber alles dazu zu blockieren. Das Asylpaket II lag drei Monate auf Eis. Unnötig gebremst hat die SPD. Wer sich zu Wort meldet, sollte machbare Vorschläge mitbringen, und das habe ich gemacht.

Unionswähler mögen keinen Streit – beschwert das die Wahlkämpferin Klöckner?

Diskussion und Austausch unterschiedlicher Meinungen, das ist Demokratie. Wer das immer als Streit und Kämpfe abkanzelt, leistet der Debattenkultur einen Bärendienst. Vor einer Zerreißprobe stehen Rot und Grün. Die einen sind für Wohnsitzpflicht, die anderen dagegen. Erst sind alle gegen Integrationspflicht, dann plötzlich welche dafür. Dieses Hü und Hott macht es nicht einfacher. Bei uns in der Union herrscht in den Kernfragen völlige Übereinstimmung: Integrationspflicht, Sachleistungen statt Bargeld, klare Registrierungen, schnellere Rückführungen. Natürlich wünscht sich jeder in einer Krisensituation die eine einzige Stellschraube, mit der sich alles regeln lässt. Aber die gibt es nicht. Wir kommen nicht um Debatten um den besten Weg herum. Offenes Herz und konsequente Rechtsanwendung schließen sich dabei nicht aus.

Ist die Ankündigung einer Verfassungsklage noch ein Debattenbeitrag?

Wir arbeiten daran, dass sich so eine Klage erübrigt.

Aber es stört Sie nicht?

Nicht jammern, sondern anpacken hilft. Ich bin nicht die Erziehungsberechtigte des erfolgreichen Bundeslandes Bayern. CDU und CSU sind Volksparteien, von unten nach oben aufgebaut und sehr debattenfreudig. Entscheidend ist, was am Ende rauskommt – ob da Lösungen stehen oder rot-grüne Blockaden im Bundesrat.

Die AfD wird in den Umfragen immer stärker. Wie muss sich die CDU mit einer Partei auseinandersetzen, die den Schießbefehl zur geltenden Rechtslage erklärt?

Alle Parteien müssen sich damit auseinandersetzen und die kruden Theorien der AfD mit Argumenten angehen, mit offenem Visier, mit klarer Analyse und Gegenkonzept und dann für diesen Weg eintreten – so wie das üblich ist in der Demokratie. Aufstehen und nicht sitzen bleiben, wenn es ungemütlich wird. Auch nicht in Fernsehdiskussionen vor Wahlen. Nur so kann man die AfD dazu zwingen, ihre Maske runterzulassen. Dann kann keiner von denen, die die AfD aus Protest wählen, hinterher sagen, er hätte ja gar nicht gewusst, wem er da seine Stimme gibt.

Wenn die Umfragen recht behalten, sitzen im nächsten Mainzer Landtag sechs Parteien. Könnte die FDP Ihnen den Weg in die Staatskanzlei da nicht mit einem Ampelbündnis verlegen?

Am Ende müssen wir alle akzeptieren, was uns der Wähler als Koalitionen ermöglicht. Aber ich habe den FDP-Spitzenkandidaten Volker Wissing als verlässlichen Partner kennengelernt. Ich sehe nicht, wie dessen liberale Sichtweisen zu rot-grünen Experimenten passen könnten, zu Verschuldung und wertneutralem Multikulti und Bildungsexperimenten wie „Schreiben lernen nach Gehör“. Es wäre kein Wechsel, wenn Rot und Grün weiter zusammen in der Regierung säßen.

Und was Angela Merkel angeht: Entscheidet Julia Klöckners Abschneiden über die Zukunft der Kanzlerin?

Für jeden Parteivorsitzenden ist es etwas Schönes, wenn seine Spitzenkandidaten in den Ländern gewinnen. Wir reden von einer Landtagswahl, in der die Flüchtlingspolitik ein wichtiges, aber nicht das einzige Thema ist. Angela Merkel hat bei uns zahlreiche Auftritte zugesagt. Das ist ein klares Zeichen, dass sie uns unterstützt. Aber gewinnen müssen wir schon selbst.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false