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Politik: CDU und SPD haben es fünf Jahre miteinander ausgehalten - eine Fortsetzung ist nicht ausgeschlossen

Ein "Wunschkind" war die Koalition nicht, die CDU und SPD in Thüringen vor fünf Jahren notgedrungen eingingen. Vielmehr stellten beide Partner das Bündnis immer wieder als "ungeliebte Zweckehe" hin.

Ein "Wunschkind" war die Koalition nicht, die CDU und SPD in Thüringen vor fünf Jahren notgedrungen eingingen. Vielmehr stellten beide Partner das Bündnis immer wieder als "ungeliebte Zweckehe" hin. Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) zog denn auch unlängst eine recht gemischte Bilanz der gemeinsamen Regierungsarbeit: "Sie war manchmal kompliziert, mühsam und sehr anstrengend." Tatsächlich gab es etliche Reibungsverluste - zuletzt gerieten beide Koalitionspartner wegen des von der Bundesregierung gestoppten Weiterbaus der ICE-Strecke durch den Thüringer Wald heftig aneinander. Während die CDU vehement den Bau der Schnelltrasse fordert, akzeptiert die SPD die Entscheidung.

Die Parteien lieferten sich aber auch etliche andere Geplänkel, unter anderem zum Landeshaushalt. Immer wieder musste Vogel vermittelnd eingreifen, um koalitionsinterne Wogen zu glätten, etwa als der Innenminister und SPD-Chef Richard Dewes wegen der sogenannten "Computer-Affäre" (in seinem Ministerium verschwanden PCs mit angeblich geheimen Daten) unter Druck geriet und von Teilen der CDU heftig attackiert wurde. Dewes reizte die Christdemokraten darüber hinaus in schöner Regelmäßigkeit mit seinen Avancen gegenüber der PDS. Auch wenn es in der Koalition dann und wann rumorte - unterm Strich bescheinigt ihr Vogel konstruktive Arbeit. Dewes ringt sich immerhin zu einer "Zwei minus" durch.

Dabei war von gleichberechtigter Partnerschaft nach der Wahl 1994 zunächst nur wenig zu spüren - die CDU hatte den Juniorpartner gut im Griff. Erst als Dewes 1996 den Parteivorsitz übernahm, kam frischer Wind in die dahindümpelnde SPD. Die Sozialdemokraten drückten das umstrittene Polizeistrukturgesetz und ein hohes Förderniveau für den öffentlichen Arbeitsmarkt durch und attackierten wiederholt das CDU-geführte Wirtschaftsministerium vor allem wegen der Förderpolitik.

In den Bereichen wie Technologie, Forschung und kommunaler Selbstverwaltung haben die Koalitionspartner viele ihrer Ziele umgesetzt. Allein in diesem Jahr investiert das Land rund 350 Millionen Mark in Forschung und Entwicklung, ein Spitzenwert im Osten. Darüber hinaus wurde durch Änderung des Kommunalabgabengesetzes die Lage bei den Wasser- und Abwassergebühren entschärft, die von Bürgerinitiativen heftig bekämpft wurden. Wenn es um die Erfolge geht, dann listet Vogel vor allem Wirtschaftsdaten auf. Mit rund 58 Prozent Wirtschaftswachsum seit 1991 liegt Thüringen an der Spitze der neuen Länder. Zu den Vorzeigeobjekten gehören unter anderem das Opel-Werk in Eisenach und der Hochtechnologiestandort Jena, wo Vogels Parteifreund Lothar Späth, Ex-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, den Jenoptik-Konzern leitet.

Sein 1994 angepeiltes Ziel, die Arbeitslosenquote unter zehn Prozent zu drücken, erreichte Vogel jedoch nicht, auch wenn das Land mit 15,4 Prozent im Osten am günstigsten abschneidet. Die regionalen Unterschiede sind nach wie vor drastisch: Während Regionen im Süden auch aufgrund des Pendlerstroms nach Bayern mit rund elf Prozent Arbeitslosigkeit noch gut dastehen, liegt die Quote in Kreisen im Norden und Osten teilweise über 21 Prozent. Vor allem die PDS wirft dem seit 1992 regierenden Ministerpräsidenten vor, er habe sein Wahlversprechen von 100 000 neuen Arbeitsplätzen nicht eingehalten. Auch der geplante Abbau der hohen Verschuldung gelang der Koalition nicht: bei der Nettokreditaufnahme steht Thüringen schlechter da als etwa Sachsen.

Zu handfesten Koalitionskrächen kam es weniger wegen grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten als wegen mehrerer Pannen in dem von Dewes geführten Innenministerium. So geriet er 1997 wegen der Einstellung eines vorbestraften Fahnders im Landeskriminalamt unter Druck. Im vorigen Jahr brachte der Diebstahl von teils brisanten Computerdaten aus dem Ministerium den SPD-Politiker in Bedrängnis und den Koalitionsdampfer ins Schlingern. Zuletzt geriet der SPD-Herausforderer in Erklärungsnot, nachdem Thüringer Beamte einen harmlosen Wanderer mit dem kürzlich gefassten Schwerverbrecher Dieter Zurwehme verwechselten und erschossen. Ob es eine Neuauflage der Zweckgemeinschaft nach der Wahl gibt, ist offen. Umfragen sehen die CDU der absoluten Mehrheit der Sitze nahe.

Die Grünen, die 1994 noch 4,5 Prozent erreichten, werden den Einzug in den Landtag wohl nicht schaffen. Ihre Spitzenkandidatin Anne Voß ist im Land kaum bekannt geworden. Im "grünen Herzen Deutschlands" (Eigenwerbung Thüringen) wird diese Farbe im Landtag also fehlen.

Andrea Hentschel

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