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Politik: CDU Wohin?: Noch wartet die CDU darauf, dass Angela Merkel und Friedrich Merz sie führen

Kann das sein, dass sie sich manchmal zurücksehnen in die wilde Zeit der Spendenaffäre? "Essen", sagt im Rückblick auf den CDU-Parteitag im April ein führender Christdemokrat, "Essen war der Abschluss eines Höhenflugs.

Von Robert Birnbaum

Kann das sein, dass sie sich manchmal zurücksehnen in die wilde Zeit der Spendenaffäre? "Essen", sagt im Rückblick auf den CDU-Parteitag im April ein führender Christdemokrat, "Essen war der Abschluss eines Höhenflugs." Wochenlang hatte die CDU wie im Fieber gelegen, immer neue Schübe, neue Skandale, neue Enthüllungen. Eine schlimme Zeit, gewiss. Aber auch eine einfache: es gab Gute und Böse, Schuldige und Unschuldige. Mit der Eindeutigkeit ist es vorbei. "Jetzt erst", sagt ein CDU-Bundestagsabgeordneter, "sind wir wirklich in der Opposition angekommen."

Aber selbst das ist ja noch eine ziemlich optimistische Formulierung. Wenn sie doch angekommen wären! Gut 100 Tage ist Friedrich Merz neuer Fraktionschef der CDU/CSU - 100 Tage, von denen der junge Mann selbst vor der Fraktion einräumen musste, so richtig optimal gelaufen sei das nicht. Gut 60 Tage ist Angela Merkel neue Chefin der CDU, also mitten in der Schonzeit. Es schont sie aber keiner, weil die Haltung der CDU sofort gefragt ist und nicht irgendwann in der Sommerpause - zur Rente, zur Steuer, zum Atomausstieg, zur Bundeswehr. Nur Edmund Stoiber schont die Chefin der Schwesterpartei ein bisschen. "Die sind im Moment ziemlich nervös bei der CSU", hat ein Christdemokrat registriert. "Die wissen nicht so genau, wo sie dran sind."

Ist ja auch schwierig, sich momentan zurechtzufinden auf dem politischen Schachbrett, Abteilung Schwarz. Da ist die Dame Merkel. Steht meist hinten in Deckung, macht nur manchmal einen Vorstoß und oft erst, wenn andere vorher das Feld sondiert haben. "Sie denkt eben lieber zwei Mal nach", sagen Leute, die sie kennen. Das war immer ihre Stärke: Den richtigen Moment abpassen, bis deutlich wird, wo der Zug hinfährt, dann selbst das Steuer übernehmen. Aber Merkel weiß, dass das nur ging, solange sie die Nummer Zwei war. "Natürlich könnte sie toter Mann spielen, softe Themen machen und weiter beliebt bleiben", sagt ein Vertrauter. Aber das reicht nicht.

Denn da ist der König Stoiber. Merkwürdig still ist der für seine Verhältnisse; so still, dass manche auf psychologische Erklärungen verfallen: "Er muss damit umgehen lernen, dass auf der anderen Seite eine Frau steht." Gut möglich. Aber dass die CSU die große Schwester mal ausnahmsweise nicht mit Wir-sind-die-Speerspitze-der-Opposition-Gehabe nervt, hat auch mit schlichter Vernunft zu tun. "Die CDU hängt im ganz, ganz tiefen Loch", sagt ein führender Christsozialer. "Wir müssen ihr die Chance lassen, da selber rauszukommen; sonst ziehen sie eher uns mit rein als wir sie da raus." Also hat zwar Stoiber die CDU gegen die Ökosteuer in Stellung getrieben, in einen Schützengraben, den die Ex-Umweltministerin Merkel lieber gemieden hätte. Aber er hat es zuvörderst hinter den Kulissen getan.

Bleiben noch ein paar Figuren auf dem Schachbrett. Merz zum Beispiel, der Springer. "Was Merkel zu wenig hat", seufzt ein CDU-Spitzenmann aus der Riege der Landespolitiker, "hat Merz zu viel." Merkel, die Generalistin, die in großen Bildern denke; Merz, der Fachmann, der noch mal schnell drei Paragrafen im Oppositionsantrag selbst formuliere. Der Fraktionschef, der die Abgeordneten nicht unter die Disziplin des Regierens zwingen kann und nun glaubt, ihrer nur durch Überzeugung Herr werden zu können. Nur überzeugt er sie noch nicht.

So sieht es aus auf dem Schachbrett - nicht zu vergessen die Türme und Läufer, die mächtigen CDU-Landesfürsten. Neulich hatten die Unionsspitzen sich vorgenommen, der Regierung mal die Harke zu zeigen und im Bundesrat die Rentenerhöhung abzulehnen. Horst Seehofer und Bayerns Sozialministerin Barbara Stamm haben Kurt Biedenkopf gut zugeredet. Der Sachsenkönig hat den Kopf geschüttelt und der Regierung zugestimmt. Seither ist klar: Das Schema Lafontaine funktioniert nicht.

Aber was sonst? Das Schema Merkel vielleicht: Der CDU erst mal verlorene Kompetenz zurückgewinnen? Demnächst will die Parteivorsitzende eine sozialpolitische Grundsatzrede halten, dann beim Bundesverband der Deutschen Industrie ein wirtschaftspolitisches Bekenntnis ablegen. Ein Langfristprogramm. Doch dringlicher als auf Grundsatzerklärungen warten viele Christdemokraten auf das erste Rededuell ihrer Chefin mit dem Kanzler im Bundestag. Vielleicht zum Atomausstieg. Da kennt sie sich ja aus.

Da gibt es aber auch noch das Schema Stoiber, die bayerische Schule: "Die CSU hat sich immer als Kampftrupp begriffen", sagt ein Unionspolitiker. Da gibt es das noch schemenhafte Schema Merz. Und da gibt es vor allem diese Regierung, die hinterlistig versucht, die Opposition überall mit ins Konsensboot zu zerren und ihr die Themen wegzunehmen. Einwanderung sollte so ein Unionshit werden, da setzt der Innenminister Otto Schily eine Kommission ein. Ja, was soll man nun machen gegen solche verordnete Funkstille?

Am Mittwoch zieht sich das CDU-Präsidium für zwei Tage ins Idyll zurück; nach Wittenau, ins Hotel Rheinsberg am See. Da will Merkel mal Grundsätzliches besprechen, einen Disput zwischen zwei Schulen führen lassen. "Wir haben nicht unbegrenzt Kampfthemen, da können wir keins auslassen", hat ein CDU-Oberer neulich gesagt. Das ist die eine Schule. Zwei Sätze später hat er versichert: "Wir machen keinen Krawall um des Krawalls wegen." Das ist die andere Schule. Beide sind vereint in der gleichen Person. Die Zeit der Eindeutigkeit ist eben vorbei. "Vor zwei Jahren hätte uns niemand gefragt, wofür die CDU steht", seufzt eine Christdemokratin. Vielleicht sind sie ja doch schon in der Opposition angekommen.

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