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Politik: CDU verabschiedet sich von der Hauptschule Parteitag im November soll Fusion mit Realschulen in einem zweigliedrigen System beschließen

Berlin - Jahrzehntelang gehörte es zum Kern christdemokratischer Programmatik: das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem. Die Hauptschule müsse gestärkt und nicht abgeschafft werden, wiederholten Unions-Bildungspolitiker immer wieder, selbst als die Hauptschule nach dem Pisa-Schock immer stärker infrage gestellt wurde.

Berlin - Jahrzehntelang gehörte es zum Kern christdemokratischer Programmatik: das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem. Die Hauptschule müsse gestärkt und nicht abgeschafft werden, wiederholten Unions-Bildungspolitiker immer wieder, selbst als die Hauptschule nach dem Pisa-Schock immer stärker infrage gestellt wurde. In Nordrhein-Westfalen investierte die damalige CDU-FDP- Regierung bis 2010 sogar noch 100 Millionen Euro in die Hauptschulen, um diese vom Image der Restschule zu befreien.

Doch nach der Atomkraft und der Wehrpflicht will die CDU nun auch bei diesem Thema eine Kehrtwende vollziehen. Die Hauptschule soll abgeschafft werden, neben dem Gymnasium soll es eine „Oberschule“ geben, die Haupt- und Realschule in sich vereint. Das sieht ein Bildungskonzept vor, das der Bundesvorstand der CDU am Montag verabschieden will und das die Grundlage für einen Beschluss auf dem Bundesparteitag im November sein soll. Derzeit gebe es „zu viele Schulformen, die Eltern, Schüler und Lehrer gleichermaßen verwirren, die Vergleichbarkeit innerhalb und zwischen den Ländern erschwert und die Mobilität behindert“, heißt es in dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt. Daher trete die CDU für ein „Zwei-Wege-Modell in allen Ländern ein“.

Die Beschlussvorlage erarbeitete eine Kommission unter der Führung von Bundesbildungsministerin Annette Schavan und dem sächsischen Kultusminister Roland Wöller. Beide Minister hatten angekündigt, dass sie der Partei den Abschied von der Hauptschule empfehlen wollten.

Ob die neue Oberschule flächendeckend auch zum Abitur führen soll, lässt das Papier offen. Die Oberschule solle „neben dem Gymnasium ein weiterer und gleichwertiger Bildungsweg“ sein, der „einen Weg entweder in die berufliche Bildung oder zur allgemeinen Hochschulreife eröffnet“. Die CDU wolle darüber hinaus auch „integrative Systeme respektieren, wo dies dem Elternwillen entspricht“. Als weiterer Grund für das Aus für die Hauptschule wird die demografische Entwicklung genannt.

Bis zum Parteitag soll das Programm an der Basis diskutiert werden, heißt es. Offenbar will die CDU-Führung den Eindruck vermeiden, der Basis werde eine weitere Kehrtwende einfach vorgesetzt.

Der Landesverband in Baden-Württemberg kündigte am Mittwoch Widerstand an. Es gebe „keinen Grund für unsinnige Strukturexperimente“, sagte Generalsekretär Thomas Strobl dem Tagesspiegel: „Dagegen werden wir uns wehren.“ Für die Südwest-CDU habe die Hauptschule „einen eigenen pädagogischen Wert“. Man müsse gemeinsam über Lerninhalte, „aber nicht über Schulstrukturen“ reden.

Fraglich ist , ob es auch anderswo zu vernehmlichem Widerstand kommen wird. In vielen Ländern hat sich die CDU bereits von der Hauptschule verabschiedet. Im Osten wurde nach der Wende auf das zweigliedrige Schulsystem gesetzt, die Hauptschule gibt es dort nicht. Der Bundesvorstand wird Skeptikern auch entgegenhalten können, dass Sachsen mit seinem zweigliedrigen Schulsystem inzwischen am besten bei Pisa abschneidet – vor Bayern und Baden-Württemberg.

Auch die verbleibenden CDU-geführten Länder im Westen haben sich von der Hauptschule abgewendet. Schleswig-Holstein schaffte sie 2007 ab, Hessen 2009. Auch in Niedersachsen sollen Haupt- und Realschüler zusammen unterrichtet werden. Im Saarland hat die Jamaika-Koalition mit den Linken vor kurzem eine Verfassungsänderung durchgesetzt, nach der ab 2012/13 vollständig auf ein zweigliedriges System umgestellt wird. Neben dem achtjährigen Gymnasium wird es dort eine Gemeinschaftsschule geben, an der Schüler den Hauptschulabschluss, den mittleren Schulabschluss oder ein neunjähriges Abitur ablegen können. Und selbst der neue NRW-Landeschef Norbert Röttgen signalisierte unlängst, dass die Hauptschule gegen den Willen vieler Eltern nicht zu halten sei.

Die Schwesterpartei CSU hält hingegen an der Hauptschule fest, wie Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle bekräftigte. Er interpretierte den CDU-Plan so: Diese wolle gar nicht die Ausbildungsgänge von Haupt- und Realschule aufheben, sondern beide unter dem Dach der Oberschule neu organisieren. In dem Papier steht das so explizit allerdings nicht, vielmehr wird offengehalten, wie die Oberschule organisiert werden soll. Aus der CDU-Führung ist zu hören, das bleibe Ländern und Schulträgern überlassen.

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