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Eine Abgeordnete hält beim Parteitag der Republikaner eine Mütze mit der Aufschrift "Make America Great Again" in der Hand.

© Chris Carlson/AP Pool/dpa

Chaos bei der US-Präsidentschaftswahl droht: Report zeigt, wie anfällig die Briefwahl ist – und warum das Problem wächst

Rund eine halbe Million Briefwahlstimmen wurden bei den US-Vorwahlen für ungültig erklärt. Beobachter befürchten noch Schlimmeres bei den Wahlen im November.

Die „chaotischste Präsidentschaftswahl seit Menschengedenken” stehe bevor, warnt die renommierte Tageszeitung „Washington Post”. Nicht nur, dass der amtierende Präsident bereits vorzeitig angekündigt habe, das Wahlergebnis im Fall einer Niederlage abzulehnen, die Wahl kollidiere auch noch mit einer „nie da gewesenen Pandemie”. Und die steigert die Bedeutung der Abstimmung per Brief im Herbst enorm.

In 20 Bundesstaaten wurde der Zugang zur Briefwahl inzwischen als Beitrag zur nationalen Gesundheit eingestuft. Mindestens Dreiviertel der US-Wähler sollen nun berechtigt sein, ihre Stimme für die Wahl am 3. November per Post abzugeben. Wenn die jüngsten Wahltrends anhalten und die Wahlbeteiligung steigt, wie Experten vorhersagen, werden in diesem Herbst rund 80 Millionen Briefwahlscheine die Wahlbüros fluten, berichtet die „New York Times”.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Wahl extrem knapp werden könnte, erscheint die Veröffentlichung einer Analyse des National Public Radio (NPR) besorgniserregend: Während der Vorwahlen der Demokraten und Republikaner in diesem Jahr sollen 558.032 Briefwahlzettel in 30 Bundesstaaten abgelehnt worden sein.

Zum Vergleich: Bei den Vorwahlen 2016 waren es landesweit nur 319.000. Die Gründe seien vielfältig, heißt es in dem Bericht, Stimmzettel seien zu spät eingegangen oder aufgrund von falschen Angaben oder fehlenden Unterschriften als ungültig erklärt worden.

Das Wahlsystem steht auf der Probe

Die Zahlen würden zeigen, wie versäumte Zustellfristen und versehentliche Fehler die Wähler entrechten und den Ausgang der Präsidentschaftswahlen beeinflussen könnten, schreibt die „Washington Post”. Zudem warnte die Postbehörde USPS, dass sie womöglich Millionen Briefwahlstimmen nicht rechtzeitig für die Auszählung wird zustellen können. Außerdem benötigt die Behörde dringend Geld, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

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Für Aufsehen sorgten zuletzt Berichte über den Abbau von Briefkästen und Sortiermaschinen. Zusammen mit Trumps permanenten Warnungen vor angeblichen Fälschungen durch Briefwahl brachte das Politiker der Demokraten dazu, von „Sabotage“ zu sprechen. Der Chef der US-Post, Louis DeJoy, gab am vergangenen Freitag eine erste Entwarnung. Er versicherte, dass die Post in der Lage sei, per Brief abgegebene Stimmen „sicher und rechtzeitig zuzustellen“.

[Mehr zum Thema: Vom Militäreinsatz bis zur Geheimdienstaktion – diese vier Szenarien sind nach der US-Wahl denkbar]

Die „Washington Post” berichtet, dass besonders auffällig sei, dass ein Viertel der in den Vorwahlen abgelehnten Stimmzettel aus den sogenannten „Swing States” stamme. In den Staaten Wisconsin, Michigan und Pennsylvania wurden mehr als 60.480 Stimmzettel abgelehnt.

Tausende Formulare für die Briefwahl liegen in Umschlägen in einem Kasten in Davenport, Iowa.
Tausende Formulare für die Briefwahl liegen in Umschlägen in einem Kasten in Davenport, Iowa.

© Kevin E. Schmidt/dpa

2016 hatte Donald Trump die Präsidentschaftswahl nur knapp gewonnen. Unter anderem mit rund 80.000 Stimmen aus diesen drei Bundesstaaten. Zwar sei die Wahlbeteiligung bei den Vorwahlen viel geringer als erwartungsgemäß bei den Präsidentschaftswahlen, doch in diesem Herbst werde mit besonders vielen Erstwählern gerechnet, die häufiger Fehler beim Ausfüllen der Stimmzettel machen, schreibt die Zeitung weiter.

Per Post eingereichte Stimmen werden mit höheren Wahrscheinlichkeit abgelehnt

„Jedes Mal, wenn man einen dramatischen Anstieg der Wahlbeteiligung bei irgendeiner Art von Abstimmung sieht, sieht man auch Leute, die vielleicht neu in diesem Prozess sind, die die Regeln nichts so gut kennen”, sagte die Innenministerin des US-Bundesstaaten New Mexico, Maggie Toulouse Oliver, der „Washington Post”.

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Der hohe Anstieg der potenziellen Briefwähler stellt die Wahlsysteme im ganzen Land auf die Probe. Studien haben ergeben, dass per Post eingereichte Stimmen mit größerer Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden als persönlich an den Wahllokalen abgegebene Stimmen. Das Verfahren beinhalte mehrere Schritte und berge mehr Gelegenheiten für Fehler. Außerdem sollen Stimmzettel von Schwarzen Wählern prozentual häufiger abgelehnt werden.

Anwälte der Demokraten und Wahlbeamte in mehr als drei Dutzend Staaten drängen nun darauf, die Gründe für eine Ablehnung des Wahlzettels zu begrenzen.

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