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Politik: Chaos in Ägypten – wieder Tote

Zum zweiten Jahrestag der Revolution Unruhen und Angriffe auf Büros der Muslimbrüder.

Bei landesweiten Protesten gegen Ägyptens Präsidenten Mohammed Mursi sind am Freitag mindestens fünf Menschen getötet und mehr als 330 weitere verletzt worden. Einige Nachrichtenagenturen berichten sogar von neun Toten in der Stadt Suez. Unter den Toten in Suez war Medizinern zufolge auch ein Angehöriger der Sicherheitskräfte. Über die Ereignisse gab es zunächst keine gesicherten Erkenntnisse. Einige Zeugen berichteten, die Sicherheitskräfte hätten das Feuer bewaffneter Männer erwidert. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen handelt es sich bei den Toten um junge Männer, die vor dem Gouverneursgebäude in Suez von Schüssen getroffen wurden, als Demonstranten das Gebäude stürmen wollten. Offiziellen Angaben zufolge wurden bei den Zusammenstößen im ganzen Land 280 Zivilisten und 55 Sicherheitskräfte verletzt.

Straßenschlachten, Tränengas, verwüstete Regierungsgebäude, gestürmte Gerichte und eine hilflose Polizei. In ganz Ägypten machten Demonstranten am zweiten Jahrestag der 25.-Januar-Revolution mit Gewalt ihrem Unmut Luft. Der revolutionäre Elan ist verflogen. Zwei Jahre nach dem Sturz des früheren Präsidenten Hosni Mubarak ist das Volk so tief zerstritten und gespalten wie nie zuvor.

Unversöhnlich stehen sich das islamistische und liberale Lager gegenüber, vor allem nach der von den Muslimbrüdern durchgepeitschten Verfassung, der am Ende lediglich ein Fünftel der wahlberechtigten Bevölkerung zustimmte. „Das Volk verlangt den Sturz des Regimes“ und „Herr Präsident, wo sind deine revolutionären Versprechungen“ skandierten die Demonstranten. „Die Muslimbrüder sind Lügner“ stand auf Transparenten, die zwischen den Palmen auf dem Tahrir-Platz aufgespannt waren. Zehntausende Menschen hatten sich am Nachmittag in Sternmärschen auf dem berühmten Kreisverkehr eingefunden. „Geht auf alle Plätze, um endlich die Ziele der Revolution zu erreichen“, gab ihnen Friedensnobelpreisträger Mohammed al Baradei per Twitter mit auf den Weg.

Bereits am Nachmittag kam es in in der Hafenstadt Alexandria zu ersten schweren Straßenschlachten. In Suez, Port Said und Ismailia, aber auch in der Industriestadt Mahalla waren Zehntausende Menschen auf der Straße. Sie rissen Mursi-Plakate nieder und skandierten dabei „Hauseinstürze und Zugunglücke – das ist unser Leben“.

In der Hauptstadt Kairo eskalierte die Lage erst nach Einbruch der Dunkelheit. Demonstranten blockierten die Metro und die Autobrücken über den Nil, vor dem Präsidentenpalast fielen Schüsse. Auf dem Tahrir-Platz brach durch Tränengasgranaten mehrmals Panik aus. Bis in die späten Abendstunden versuchten Randalierer, Breschen in die wuchtigen Betonbarrieren zu schlagen, die die Straßen zum Parlamentsgebäude und Innenministerium abriegeln. Mindestens 100 Menschen wurden allein in der Hauptstadt verletzt. Erstmals machte auch eine militante Gruppe von sich reden, der „schwarze Block“, wie sie sich nennen, junge Männer mit schwarzen Masken. Den Muslimbrüdern drohen sie im Internet offen den Krieg auf der Straße an.

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