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Politik: Chaostage?

Die Opposition klagt über widersprüchliche Aussagen der Bundesregierung

Berlin - Das Management der Bundesregierung bei der Vorbereitung des deutschen Beitrags zur UN-Friedensmission im Libanon gerät zusehends in die Kritik. Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn warf dem Kabinett eine chaotische Vorgehensweise vor. Die Regierung sei nicht in der Lage, gegenüber den Vereinten Nationen den „komplizierten Prozess der Anmeldung einer deutschen Beteiligung kompetent durchzuführen“, sagte er nach Sondersitzungen des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses. An Kanzlerin Angela Merkel (CDU) richtete Kuhn den Appell, das „Chaos“ zu beenden und politische Führung zu zeigen. Die Regierung müsse klipp und klar sagen, was sie wolle.

Ähnliche Vorwürfe erhob die FDP. „Entweder treibt die Bundesregierung ein gefährliches Verwirrspiel, oder aber sie ist selbst verwirrt, was nicht weniger gefährlich wäre“, sagte Generalsekretär Dirk Niebel dem Tagesspiegel. Merkel müsse „schleunigst klarstellen, was ihre Regierung wirklich will und wozu sie sich in New York tatsächlich verpflichtet hat“.

Kuhn und Niebel bezogen sich in ihrer Kritik auch auf Äußerungen von Verteidigungsminister Franz Josef Jung am Donnerstagabend bei der Unterrichtung der Fraktionen im Kanzleramt. Nach Teilnehmerangaben hatte der CDU-Politiker dort die Absicht vorgetragen, ein Lazarettschiff der Marine vor Libanons Küste zu entsenden und es von einer Fregatte begleiten zu lassen. Dabei hatte er die Position vertreten, dass dafür keine Zustimmung des Bundestages nötig sei, obwohl Auslandseinsätze bewaffneter Bundeswehrkräfte dem Parlamentsvorbehalt unterliegen. Am Freitag gab der Minister dieses Vorhaben auf. Nun soll das Schiff ohne Militärbegleitung eingesetzt werden.

Für die Grünen zeigt der Vorgang, dass Jung „überfordert ist“, wie Kuhn formulierte. „Herr Jung findet seine Rolle nicht: mal Verkündigungsminister, mal Desinformationsminister, aber nie Verteidigungsminister“, sagte Niebel. Kritik übte auch der Koalitionspartner: „In dem Moment, wo militärische Komponenten zum Einsatz kommen, geht das nur mit Bundestagsbeschluss. Das hätte der Verteidigungsminister eigentlich wissen müssen“, sagte SPD-Präsidiumsmitglied Christoph Matschie. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold mahnte: „Ein Verteidigungsminister sollte solche Diskussionen nur gut vorbereitet führen und dabei immer im Blick haben, dass der Parlamentsvorbehalt für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte ein Fundament der deutschen Sicherheitspolitik ist.“

Eine Panne unterlief der Regierung offenbar auch bei der Kommunikation in New York. So unterbreitete der deutsche Botschafter bei den UN, Thomas Mattussek, bei der Truppenstellerkonferenz am Donnerstag Angebote, die weit über die von der Regierung vorgetragenen Pläne hinausgehen – etwa dieses, „die gesamte libanesische Küste zu patrouillieren und zu kontrollieren“. Überdies soll Mattussek Zollbeamte, Polizisten und Grenzschützer für Patrouillen an der libanesisch-syrischen Grenze ins Spiel gebracht haben. Einen solchen Einsatz hatte die Regierung ausgeschlossen. Wenn es Unterschiede gebe, sagte der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen, seien sie nicht auf die Bundesregierung zurückzuführen, sondern „möglicherweise in der Sprachfähigkeit des Botschafters“ begründet.

Der Verteidigungsminister zeigte sich von alledem unbeeindruckt. Er sei sich „sehr sicher“ über das, was in New York im deutschen Namen angeboten werde, sagte Jung. „Und damit das auch mal aufhört: Es gibt eine breite und gute Übereinstimmung in der Bundesregierung. Und das ist sehr abgestimmt, was erstens die Bundesregierung tut, zweitens was dann auch im Auftrag des Verteidigungsministeriums in New York beispielsweise über das Außenministerium angeboten wird.“

Stephan Haselbelrger

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