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Hu Jintao (vorn rechts neben Premier Wen Jiabao) wird bald abtreten.

© dapd

China: Der Ferrari und die Partei

Chinas Führung hat einen neuen Skandal – der Sohn eines hohen Funktionärs ist bei einem Verkehrsunfall mit seinem Ferrari ums Leben gekommen. Das dürfte auch Konsequenzen für Staats- und Parteichef Hu Jintao haben, der offenbar in den nächsten Wochen abgelöst wird.

Am Wochenende hat ein Pekinger Luxushotel eine E-Mail an seine Stammkunden verschickt. „Wir müssen Ihnen mitteilen, dass zwischen dem 1. September und dem 20. Oktober in Pekinger Hotels keine ausländischen Fernsehprogramme zu empfangen sein werden“, hieß es darin nach Informationen des Tagesspiegels. Was unbedeutend klingt, beinhaltet für China-Experten eine wichtige Nachricht: In diesem Zeitraum wird also der Machtwechsel der Kommunistischen Partei Chinas stattfinden.

Die Kommunistische Partei hat bislang geheim gehalten, wann sie ihre neue Parteiführung bekannt geben wird. „In der zweiten Hälfte des Jahres“, heißt es unspezifisch, doch nun mehren sich die Zeichen, dass der 18. Parteikongress der Kommunistischen Partei und der damit verbundene Machtwechsel unmittelbar bevorstehen. Nicht nur die E-Mail des Luxushotels oder die Verschärfung der Visabestimmungen für Ausländer weisen auf verstärkte Kontrollmaßnahmen der Sicherheitsbehörden vor dem Parteitag hin. Auch die jüngste Degradierung des Stabschefs Ling Jihua steht in diesem Zusammenhang. Die Partei will sich vor dem nur einmal in zehn Jahren stattfindenden Machtwechsel noch schnell eines weiteren Skandals entledigen.

Wie Anfang der Woche durch einen Bericht der „South China Morning Post“ bekannt wurde, steckt offenbar ein tödlicher Unfall mit einem Ferrari hinter der überraschenden Herabsetzung Ling Jihuas, einem engen Vertrauten des Staats- und Parteichefs Hu Jintao. Der Unfall ereignete sich bereits am 18. März um vier Uhr morgens auf der nördlichen vierten Ringstraße an der Baofusi-Brücke in Peking. Ling Jihuas Sohn Ling Gu soll am Steuer des Sportwagens ums Leben gekommen sein. Was in anderen Gesellschaften Mitleid auslösen würde, nährt in China vor allem den Korruptionsverdacht. Ling Gu soll in einem rund 700 000 Dollar teuren Ferrari 458 Spider unterwegs gewesen sein. Eine solche Summe liegt eindeutig außerhalb des Salärs eines ehrlichen chinesischen Staatsbeamten. Auch die weiteren Umstände des Unfalls sind skandalös. Ling Gu soll bei dem Unfall nackt gewesen sein, eine seiner beiden Begleiterinnen halbnackt. Die Frauen überlebten den Unfall offenbar, eine soll aber schwer verletzt sein.

In chinesischen Internetblogs kursierten unmittelbar nach dem Unfall Berichte über den Hergang und Fotos des zerstörten Ferraris. Doch nur kurze Zeit später sperrte die staatliche Zensur Begriffe wie „Ferrari“, „Autounfall“ und „Sex im Auto“. Die „South China Morning Post“ zitiert einen ungenannten Mitarbeiter chinesischer Medien, der sagt: „Es war eine von der höchsten Ebene verhängte Nachrichtensperre, ich habe noch nie einen Autounfall gesehen, der eine Anweisung von diesem Ausmaß verursacht hat.“

Am Wochenende gaben chinesischen Medien nun bekannt, dass Ling Jihua auf den unbedeutenden Posten als Leiter der Einheitsfront der Partei abgeschoben wird. Experten hatten den 55-Jährigen zuvor noch als Kandidaten für eine der höchsten Positionen innerhalb der Kommunistischen Partei gesehen. Nun ereilt ihn ein ähnliches Schicksal wie Chongqings Parteichef Bo Xilai, der im Zuge des Mordskandals seiner Frau Gu Kailai alle Ämter verlor und auf sein parteiinternes Verfahren wegen „Verstößen gegen die Disziplin“ wartet. Weil Ling Jihua als Staabschef für die Untersuchung und Bestrafung der Vorfälle um Bo Xilai verantwortlich war, werten manche China-Experten dessen Degradierung nun als Erfolg für Bo Xilais Lager der sogenannten „Neuen Linken“.

Vor allem aber ist der neuerliche Skandal ein schwerer Schlag für Hu Jintao. Es wird offensichtlicher, dass sein Einfluss auf den Ständigen Ausschuss nach seinem Rücktritt als Parteichef im Herbst und als Staatschef im Frühjahr schwinden wird. Zumal er wohl auch seinen Posten als Vorsitzender der Zentralen Militärkommission aufgeben wird. Wie die „South China Morning Post“ unter Berufung auf ungenannte Quellen berichtet, soll das höchste Parteigremium künftig nur noch von sieben statt neun Personen gebildet werden. Während der 86 Jahre alte ehemalige Parteigeneralsekretär Jiang Zemin (1989 bis 2002), der zwischenzeitlich von Hongkonger Medien für tot erklärt worden war, im neuen verkleinerten Gremium wohl mindestens vier Vertraute sitzen haben dürfte, wird sich Hu Jintao nur noch auf den neuen Regierungschef Li Keqiang verlassen können.

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