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Politik: China: Ein bisschen Ärger

Es gibt dankbarere Aufgaben, als in China über Menschenrechte zu reden. Eine Woche war Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) in Peking unterwegs.

Es gibt dankbarere Aufgaben, als in China über Menschenrechte zu reden. Eine Woche war Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) in Peking unterwegs. Sie diskutierte mit chinesischen Staatsanwälten und Richtern, debattierte gegen Todesstrafe und Arbeitslager, sprach mit Premier Zhu Rongji über die Notwendigkeit der Rechtsstaatlichkeit. Und was taten Pekings Mächtige? Sie gaben höfliche Antworten, und ließen sich ansonsten nicht weiter stören. Am Dienstag, als Däubler-Gmelin ein Rechtsseminar eröffnete, wurden in Guangdong und Zhejiang fünf Chinesen wegen Wirtschaftsdelikten hingerichtet. Am Tag darauf ereilte das gleiche Schicksal, Tod durch Genickschuss, sechs Verurteilte in Shanghai.

Schwieriger können Umstände für Gespräche über "Menschenrechte und Rechtssysteme", so der Titel des von der deutschen Justizministerin besuchten Seminars, wohl kaum sein. "Mehr Offenheit" bei Gesprächen über Menschenrechte habe sie erlebt, erklärte Däubler-Gmelin. Auf der zweitätigen Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung sei "kontrovers und engagiert" diskutiert worden. Doch Chinas professionelle Menschenrechts-Redner, oft pensionierte Diplomaten, sind von der KP gründlich geschult. In monotonen Statements verteidigen sie die das harsche Vorgehen von Polizei und Behörden. Der Dialog wird geführt, weil es der Westen so will. An den Zuständen im Land ändert sich nichts.

Däubler-Gmelin prallte in China auf den üblichen Wall aus Schutzbehauptungen, hinter denen sich Pekings Führer verschanzen. Da war von "asiatischen Grundrechten" die Rede, denen angeblich die Rechte des Individuums unterzuordnen seien. Die Todesstrafe, die China häufiger und willkürlicher verhängt als jedes andere Land der Erde, wurde mal mit der 5000-jährigen Geschichte des Landes und mal mit der wirtschaftlichen Entwicklung und Stabilität begründet. Chinas berüchtigte "lao gai"-Lager ("Umerziehung durch Arbeit"), in denen Tausende politische und religiöse Gefangene einsitzen, verglichen chinesische Teilnehmer des Rechtsseminars mit deutschen Ordnungsstrafen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Joachim Stünker, der vor zwei Jahren in China am Menschenrechtsdialog teilnahm, resümierte: Die Standpunkte der Chinesen seien "eigentlich unverändert" gewesen.

Signale, dass sich die Lage in China bessern könnte, gibt es nur im formalen Bereich. Anfang des Jahres ratifizierte Peking - wenn auch mit Einschränkungen - den Sozialpakt der Vereinten Nationen, der die wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte garantiert. Däubler-Gmelin versuchte nicht, den Erfolg ihrer Reise überzuberwerten. Andeutungen des Gerichtshofpräsidenten Xiao Yang, dass China die Zahl der Todesstrafen senken werde, registrierte sie mit Skepsis. Menschenrechtsorganisationen sehen derzeit einen gegenläufigen Trend zu noch mehr Hinrichtungen. In vielen Punkten gebe es weiter "klare Gegensätze", sagte Däubler-Gmelin. Der Menschenrechtsdialog zwischen Berlin und Peking ist nach wie vor ein Monolog. Und doch sieht die rot-grüne Bundesregierung darin den einzigen Weg, überhaupt etwas zu bewirken. Im Moment gehe es darum, sagte Justizministerin Däubler-Gmelin, "mehr Leute mit mehr Ideen zu konfrontieren.

Harald Maass

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