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Wang Lijin.

© Reuters

China: Machtkampf in der Kommunistischen Partei

Der Polizeichef der Stadt Chongqing ist verschwunden. Er galt als Kämpfer gegen Korruption und suchte zuletzt Hilfe im US-Konsulat.

Chinesische Internetnutzer machen sich über einen neuen Begriff lustig: Xiujiàshì zhìliáo – urlaubsähnliche medizinische Behandlung. Er stammt aus einer Verlautbarung des Informationsbüros der Stadt Chongqing über den Kurznachrichtendienst Weibo. Darin steht: „Berichten zufolge hat der Vizebürgermeister und Polizeichef Wang Lijin wegen anhaltender Überarbeitung, Angstzuständen und Unwohlsein sein Einverständnis gegeben, eine urlaubsähnliche medizinische Behandlung zu akzeptieren.“ Tausende Chinesen amüsieren sich über diesen Euphemismus, denn längst ist klar, dass er einen rätselhaften Politkrimi umhüllt, der die höchsten Machtzirkel der Kommunistischen Partei erschüttern könnte.

Wang Lijin jedenfalls hat einen Teil seiner urlaubsähnlichen Behandlung am vergangenen Montag im US-amerikanischen Konsulat in Chengdu erfahren, das daraufhin fast 24 Stunden lang von chinesischen Sicherheitskräften umstellt worden war. Das US-Außenministerium bestätigte, dass der Vizebürgermeister sich im Konsulat aufgehalten hat, wollte sich aber nicht dazu äußern, ob er Asyl beantragt habe. „Er hat das Konsulat aus freiem Willen verlassen“, betonte US-Außenministeriums-Sprecherin Victoria Nuland. Auch das chinesische Außenamt bestätigte, dass sich Wang Lijin dort aufgehalten habe. Nach mehreren Medienberichten soll der Polizeichef nach dem Verlassen des Konsulats verhaftet und nicht mehr öffentlich gesehen worden sein.

Nach Informationen der „South China Morning Post“ soll er sofort in die Hauptstadt Peking verbracht worden sein – was auf eine hohe Brisanz und auf einen Machtkampf hinter den Kulissen der Kommunistischen Partei vor dem im März beginnenden Volkskongress hinweist. Wang Lijin ist ein langjähriger Weggefährte von Chongqings ambitioniertem Bürgermeister Bo Xilai. Dessen Aufstieg im Herbst beim 18. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas in den Ständigen Ausschuss des Politbüros und damit zu einem der neun mächtigsten Männer Chinas galt bislang als sehr aussichtsreich. Nun ist er gefährdet.

Bo Xilai zählt zur zweiten Generation kommunistischer Führer, den sogenannten "reichen Prinzen"

Bo Xilai zählt zur Generation der reichen „Prinzen“, jener zweiten Generation kommunistischer Führer, die beim 18. Parteitag, wenn die aktuelle Führungsriege nach zehn Jahren abtritt, die Macht in der Einparteiendiktatur übernehmen will. Sein Vater Bo Yibo zählt zu den „acht Unsterblichen“ der Kommunistischen Partei Chinas.

Bo Xilai führte gemeinsam mit seinem nun verhafteten Polizeichef einen öffentlichkeitswirksamen Kampf gegen Korruption und Verbrechen in Chongqing. Ihre Methoden waren umstritten, ebenso Xilais Rückkehr zu Maßnahmen aus der Kulturrevolution. So belebte er etwa die Volksaufführung revolutionärer Lieder wieder. Das alles hat ihm landesweite Aufmerksamkeit gebracht – weshalb der aktuelle Fall nun auch so heiß im chinesischen Internet diskutiert wird – im Gegensatz zu den staatlich zensierten Medien.

In den Blogs wird über die Gründe für den Bruch zwischen den beiden ehemaligen Freunden spekuliert. Kurzzeitig kursierte auch ein möglicherweise gefälschter offener Brief Wang Lijins, in dem er Bo Xilai als korrupten, bösartigen Heuchler bezeichnet. Wenig später wurde der von den Zensurbehörden gelöscht.

Der derart angegriffene Bürgermeister empfing am Wochenende den kanadischen Premierminister Stephen Harper und soll nach Berichten der kanadischen Presse nicht gewirkt haben, als umtose ihn ein politischer Skandal. Auch hat Bo Xilai zuletzt mit dem Ständigen Ausschuss des Politbüros zusammengesessen. „Das Treffen sendet an die Außenwelt die Botschaft, dass Bo weiterhin mit Pekings Führungsspitze spricht, wie man den Fall Wang löst und wie sein eigenes Schicksal danach aussieht“, sagt der Politik-Kommentator Jonny Lau der „South China Morning Post“. Bo Xilai will offenbar verhindern, dass er demnächst ebenfalls einer urlaubsähnlichen medizinischen Behandlung zustimmen muss.

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