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Politik: China: Umweltaktivist hat sich selbst verstümmelt

Staudamm-Gegner Fu Xiancai war nach ARD-Interview überfallen und schwer verletzt worden

Chinas Regierung will den Fall des misshandelten Aktivisten Fu Xiancai, der nach einem ARD-Fernsehinterview Anfang Juni, wie politische Beobachter vermuten, im Auftrag der Polizei zusammengeschlagen wurde und seitdem gelähmt ist, nicht aufklären. Aufgrund mangelnder Beweise habe man den Fall eingestellt, hieß es in dem offiziellen Ermittlungsbericht, der jetzt von der Polizei veröffentlicht wurde. Die Familie von Fu warf den Behörden vor, die Hintergründe des Überfalls zu vertuschen. Bewohner in dem Landkreis erklärten, dass sie von der Polizei eingeschüchtert worden seien.

Man habe keine Hinweise dafür gefunden, dass „die Verletzungen von jemand anderem verursacht wurden. Deshalb konnte kein Fall eröffnet werden“, heißt es in dem Bericht des Polizeiamtes des Landkreises Zigui (Provinz Hubei). Nach Angaben des Sohnes, Fu Bing, besuchten zwei Polizeibeamte am Mittwoch Fu Xiancai im Krankenhaus und warfen ihm vor, den Überfall nur vorgetäuscht und sich selbst verstümmelt zu haben. „Sie sagten, er solle endlich aufhören zu schwindeln“, berichtete Fu Bing. Nach Angaben der Polizei seien am Tatort nur Fußspuren von Fu Xiancai gefunden worden. Außerdem hätten führende forensische Experten Fus Körper untersucht und seien zu dem Schluss gekommen, dass die Verletzungen von ihm selber stammen.

Fu und seine Familie bestreiten diese Behauptungen vehement. Sie werfen den Behörden eine Vertuschung des Überfalls vor. „Das Ergebnis der Polizeiuntersuchung ist mit Sicherheit nicht wahr“, sagte Fu Bing dem Tagesspiegel. So habe ausgerechnet der Polizeibeamte die Ermittlungen geführt, der in den vergangenen Jahren Fu immer wieder bedroht und schikaniert habe. Die Polizei habe trotz mehrmaliger Nachfrage nicht die Namen der forensischen Experten nennen wollen, auf die sich der Untersuchungsbericht beruft. Fu Bing und andere Familienmitglieder, die seit dem Überfall unter Polizeibewachung stehen, dürfen nach eigenen Angeben weder die Krankenakte noch die Röntgenbilder sehen.

ARD-Korrespondent Jochen Gräbert, der sich in den vergangenen Wochen intensiv um Hilfe für Fu Xiancai bemüht hatte, hält den Polizeibericht für „sehr unglaubwürdig“. Er habe den Eindruck, „dass hier etwas vertuscht werden soll“. Fu Xiancai sei von den Schultern abwärts gelähmt und werde vermutlich nie wieder laufen können. „Es ist kaum vorstellbar, dass er sich selbst mit einem Ziegelstein oder einer Eisenstange ins Genick geschlagen hat“, sagte Gräbert. Die Polizei in Zigui wollte keine Stellungnahme abgeben. Nachbarn von Fu Xiancai und andere Bewohner in dem Landkreis berichteten, dass die Behörden sie unter Druck setzen würden, nicht mit ausländischen Medien zu sprechen.

Der als Kritiker des Drei-Schluchten-Staudammes bekannte Fu Xiancai war am 8. Juni von der Polizei einbestellt und wegen eines Interviews mit der ARD kritisiert worden. Die Beamten sollen „mit Konsequenzen“ gedroht haben, falls Fu sich weiter öffentlich zu Korruptionsfällen äußern sollte. Zuvor hatte es anonyme Drohungen gegen den Aktivisten gegeben. Auf dem Heimweg von der Polizeistation wurde Fu nach eigenen Angaben von Unbekannten mit einer Eisenstange angegriffen und dabei schwer verletzt.

Offenbar auf Druck der lokalen Behörden weigerte sich das Krankenhaus zunächst, Fu zu behandeln. Erst nach Protesten der deutschen Regierung und nachdem Diplomaten der deutschen Botschaft in Peking mehrere Tausend Euro übergeben hatten, wurde Fu am Rücken operiert.

Die deutsche Bundesregierung dringt weiter auf eine Aufklärung des Vorfalls. Von chinesischer Seite habe die Bundesregierung bisher keine offizielle Mitteilung erhalten, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Donnerstag. Die deutsche Botschaft in Peking sei um einen Bericht gebeten worden: „Die Aufklärung des Vorfalls ist der Bundesregierung weiter ein wichtiges Anliegen.“

Harald Maass[Peking]

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