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China Olympia

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China: Unerwünschte Unterstützer

Auch Nationalisten protestieren jetzt in China – gegen Tibet, Europa und französische Supermärkte. Die Regierung freut das nicht.

Von Boykott kann am Freitag im Pekinger Carrefour-Einkaufsmarkt in der Guangqu Lu keine Rede sein. Die Regale sind dicht belagert von Chinesen, die vor dem Wochenende ihre Vorräte auffüllen wollen. Am Laufband muss ein Angestellter die voll gepackten Einkaufswagen vor einem Stau bewahren. Trotzdem ist etwas anders: Auf dem Parkplatz warten drei Polizeiwagen, unter den Kunden sind Zivilpolizisten. Am Morgen haben Spürhunde den riesigen Markt durchsucht.

Die chinesischen Sicherheitskräfte sind gewarnt. Im Internet und per SMS hatten chinesische Nationalisten ihre Landsleute aufgerufen, an den drei Maifeiertagen gegen die französische Supermarktkette Carrefour zu protestieren. In den Städten Changsha, Fuzhou, Chongqing und Shenyang versammelten sich am Donnerstag hunderte Demonstranten vor Carrefour-Eingängen und riefen Slogans gegen das französische Unternehmen, gegen den Fernsehsender CNN und gegen die Unabhängigkeit Tibets. Die Polizei löste die Versammlungen bald auf. Von den neun Pekinger Carrefour-Filialen kam es nur in Zhongguancun im Studentenviertel Haidian zu Aktionen. „Die Polizei hat alles abgeriegelt, hat aber damit auch kurzzeitig verhindert, dass Kunden in den Markt gelangen konnten“, berichtete ein leitender Angestellter.

Das chinesisch-französische Verhältnis ist seit den massiven Protestaktionen in Paris gegen den olympischen Fackellauf stark belastet. Die Ernennung des tibetischen Religionsoberhauptes Dalai Lama und des inhaftierten Menschenrechtlers Hu Jia zu Ehrenbürgern der Stadt Paris hat die Beziehungen weiter abgekühlt. Die Carrefour-Kette, mit 112 Filialen in China vertreten, ist dabei ins Zentrum der Proteste chinesischer Nationalisten geraten. Schuld daran ist auch ein Gerücht, wonach Anteilseigner die Unabhängigkeit Tibets unterstützt hätten. Seit Mitte April ist der Umsatz in 15 chinesischen Carrefour-Filialen zurückgegangen. „Die Boykottaufrufe sind noch nicht vorbei, es ist noch zu früh, um zu sagen, welche Auswirkungen sie haben“, erklärte Jacques Beauchet, Mitglied des Managementkomitees der Supermarktkette.

Die chinesische Regierung versucht inzwischen, weitere Proteste und Boykottaufrufe zu verhindern. Denn Fremdenfeindlichkeit steht einem Gastgeberland der Olympischen Spiele nicht gut zu Gesicht. In mehreren Interviews mit den staatlich kontrollierten chinesischen Zeitungen durfte der Carrefour-Vorsitzende Jose Luis Duran sagen, dass der Konzern „politische oder religiöse Gruppen weder direkt noch indirekt unterstützt“ habe. Außerdem fördere die Supermarktkette die Olympischen Spiele in China.

Die Zeitung „China Daily“ zitiert einen Studenten, der vor zwei Wochen noch gegen Carrefour protestiert haben soll: „Nachdem ich die Unterstützungsaktionen von Carrefour für die Olympischen Spiele gesehen habe, habe ich meine Meinung geändert“, soll er gesagt haben. Außerdem weist die Zeitung darauf hin, dass 99 Prozent der 40 000 Carrefour- Angestellten in China Chinesen seien – und dass 95 Prozent der Produkte aus China stammen.

Der französische Student Pierre hat von möglichen Ressentiments der Chinesen noch nichts gespürt. Er jobbt in einem französischen Café im Pekinger Central Business District. Der Umsatz dort sei nicht gesunken, seine chinesischen Freunde seien nicht von ihm abgerückt, erzählt er. Trotzdem ist er vorsichtiger geworden: „Wenn ich gefragt werde, woher ich komme, sage ich jetzt: Belgien.“

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