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Chinas Angebot: Hilfe für Europa

Das Angebot zeugt von Selbstbewusstsein. China will Europa und den USA mit Investitionen aus der Schuldenkrise helfen. Ist das eine Chance – oder eher eine Bedrohung?

Was bietet China genau an?
Der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao erklärte auf dem Treffen, sein Land sei bereit, „eine helfende Hand auszustrecken“. Wirklich konkrete Zusagen machte er allerdings nicht. Bisher hat sich China vor allem über den Kauf von Staatsanleihen strauchelnder Eurostaaten engagiert. Die jüngsten Äußerungen Wen Jiabaos können als Zusage verstanden werden, den Kauf von europäischen Staatsanleihen weiter auszubauen. In welcher Höhe sich China bisher in Europa eingekauft hat, ist allerdings unbekannt. Doch mit der Ankündigung, weiter in europäische Staaten investieren zu wollen, zeigt Peking vor allem seine Zuversicht in die wirtschaftliche Entwicklung Europas. So will China zur Beruhigung der Märkte beitragen. Die EU ist der größte Außenhandelspartner Chinas. Eine stabile Eurozone ist schon deshalb im Interesse der Volksrepublik.

Auch die USA sind für China als Handelspartner zu wichtig, als dass man sich in Peking über deren wirtschaftlichen Niedergang freuen könnte. Zumal China einen großen Teil seiner Devisenreserven in amerikanischen Staatsanleihen investiert hat. Zwar möchte China seine riesigen Devisenreserven in Höhe von 3,2 Billionen US-Dollar (2,3 Billionen Euro) weiter streuen. Doch laut Experten wird Peking vorerst auch weiterhin in US-Anleihen investieren müssen. Schon allein, um einen Wertverlust der bereits bestehenden Bestände zu verhindern. „China kann sich nicht isoliert vom Rest der Welt entwickeln, und die Welt braucht auch China für seine Entwicklung“, betonte Wen Jiabao in Dalian.

Welche Bedingungen hat Peking an diese Hilfen geknüpft?

China erwartet von den europäischen Krisenstaaten und den USA größere Anstrengungen, ihre Verschuldung in den Griff zu bekommen. Die Regierungen müssten „ihrer Verantwortung gerecht werden und ihr eigenes Haus in Ordnung bringen“, sagte Wen Jiabao am Mittwoch. Erneut forderte er die USA und Europa auf, chinesische Investitionen zu schützen. Besonders die Schuldenpolitik der USA hatte China in den vergangenen Wochen mehrfach scharf kritisiert.

Welche wirtschaftlichen und politischen Absichten verbergen sich hinter den Angeboten?

China inszeniert sich als Retter in der Not. Doch Geld zu verschenken hat auch Peking nicht. China fordert schon seit längerem eine größere Rolle in der internationalen Finanzpolitik. Die Geldspritzen für Europa und die USA sollen Pekings wirtschaftspolitischen Einfluss stärken. Dieser soll helfen, Streitfragen für sich zu entscheiden. Wie etwa bei Chinas Bemühungen, die Anerkennung des marktwirtschaftlichen Status des Landes durchzusetzen, um sich so vor Anti- Dumping-Verfahren schützen zu können. In seiner Rede in Dalian machte Chinas Ministerpräsident in dieser Frage nun erneut Druck, forderte die Europäische Union direkt auf, den marktwirtschaftlichen Status Chinas anzuerkennen. Er hoffe auf einen „Durchbruch“ schon auf dem nächsten EU-China-Gipfel im Oktober in Tianjin, erklärte Wen. Von den USA erwartet China eine größere Öffnung des US-Marktes für Investitionen chinesischer Unternehmen. Zusätzlich forderte Chinas Premier erneut, dass die USA Beschränkungen für die Ausfuhr hochtechnologischer Produkte nach China aufheben.

Mit dem finanziellen Engagement in Europa dürfte auch Chinas politischer Einfluss wachsen, so das Kalkül in Peking. Streitthemen könnten so in den Hintergrund gedrängt werden. „Es ist zu befürchten, dass Kritik an den Menschenrechten in Zukunft noch leiser geübt wird“, sagte der China-Experte Dirk Pleiter von Amnesty International der Nachrichtenagentur Reuters. Seinen wachsenden Einfluss könnte China auch dazu nutzen, eine Aufhebung des EU-Waffenembargos zu erreichen, das seit dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens von 1989 gilt.

Lesen Sie auf Seite 2, wo China bereits investiert und ob die Chinesen Europa retten können.

Wo ist China bereits aktiv?

Tag für Tag erwirtschaftet Peking einen Handelsüberschuss von zwei Milliarden Dollar. Das viele Geld muss irgendwo angelegt werden. Dabei geht es nicht nur um Rendite – auch strategische Erwägungen spielen eine große Rolle. In Europa geht es eher darum, Zugriff zu attraktiven Marken und Technologien zu bekommen. Peking will seine Wirtschaft grundsätzlich umbauen: Sie soll nicht mehr nur Lieferant einfacher Waren sein, sondern sich mit Hightech- Produkten einen guten Ruf in Sachen Innovation und Qualität aufbauen.

Bereits im April hat China signalisiert, die angeschlagenen Euro-Staaten stützen zu wollen, unter anderem Portugal, Spanien und Griechenland. Jenseits der Finanzwelt geht es um Schlüsselbranchen wie Logistik, Industrie oder Bau. Der Logistikkonzern Cosco hat sich in Griechenland die Konzession zum Betrieb des größten Containerterminals im Hafen von Piräus auf 35 Jahre gesichert. In Portugal wollen sich die Chinesen in die Bankenbranche einkaufen. In Großbritannien hat die Nanjing Automobile Group bereits vor der Krise die Reste des Autobauers Rover übernommen – und der Geely-Konzern kaufte Volvo.

Auch in Deutschland wächst der Einfluss Chinas – vor allem im Mittelstand. Der Nähmaschinenhersteller Dürrkopp Adler, die Maschinenfabrik Waldrich Coburg oder das deutsche IBM-Geschäft gingen in den vergangenen Jahren an Investoren aus der Volksrepublik. Zuletzt kaufte der Computerkonzern Lenovo den Elektronik-Hersteller Medion. Dies war mit einer Kaufsumme von 600 Millionen Euro der bislang umfangreichste Deal.

Sind die Chinesen überhaupt in der Lage, mit ihrem Geld Europa zu retten?

Dass die hohen Überschüsse in absehbarer Zeit in sich zusammenfallen, ist nicht zu erwarten. Insofern muss China weiter sein Geld in der Welt anlegen und es auch breit streuen, um gegen Krisen gewappnet zu sein. Die europäische Schuldenkrise zu beenden und gleich mehrere Länder aus dem Schlamassel zu befreien, dürfte aber selbst die Chinesen überfordern.

Wie profitiert der Westen von China?

Chinas zieht mit seinem rasanten Aufstieg die gesamte Weltwirtschaft mit sich. In den vergangenen 40 Jahren hat sich das Inlandsprodukt um den Faktor 19 erhöht – die USA brauchten 160 Jahre, um einen solchen Aufstieg zu schaffen, wie die Bank Unicredit ausgerechnet hat. Gerade das Exportland Deutschland hat davon stark profitiert: In den vergangenen zwei Jahren haben sich die deutschen Ausfuhren nach China mehr als verdoppelt. Selbst 2009, in der tiefsten Krise der Nachkriegsgeschichte, gab es ein Plus. Aktuell verzeichnen vor allem die Autohersteller dank China Rekorde. Beinahe noch wichtiger ist das Land als Lieferant. Zum einen für die Industrie: Viele preiswerte Vorprodukte stammen von dort, hier werden sie zu teureren Produkten zusammengefügt und als „Made in Germany“ weltweit vermarktet. Zum anderen profitieren deutsche Konsumenten. Massenartikel wie Spielzeug oder Elektronik wären, würden sie woanders als in China hergestellt, vermutlich teurer.

Was hat China mit seiner Währung vor?

Bereits im März hat die chinesische Notenbank einen Masterplan vorgelegt, in welchen Schritten sie die chinesische Währung Renminbi zur weltweiten Leitwährung machen will, die den US-Dollar ablösen soll. Die chinesische Währung wird Renminbi genannt, die Einheit dieser Währung heißt Yuan. In einem ersten Schritt erlaubt China seinen Importeuren und Exporteuren, mit ausländischen Partnern in Yuan abzurechnen. Dadurch sollen immer mehr internationale Geschäfte in Yuan statt in Dollar abgewickelt werden. Nach und nach soll der Yuan in der ganzen Welt frei konvertierbar werden.

Je stärker China wirtschaftlich aufsteigt, desto wichtiger wird der Yuan. Das wird auch durch die Zunahme des Rohstoffhandels in chinesischer Hand gestärkt. Ein weiterer Schritt ist das Angebot Chinas an westliche Notenbanken, Yuan als Devisenreserve zu erwerben. Die Notenbanken werden zunehmend zugreifen, je geringer der Wert von Dollar und Euro wird. China verschafft sich mit der schrittweisen Freigabe des Yuan einen entscheidenden Vorteil. Es kann international auf Einkaufstour gehen, Unternehmen, Rohstoffe, Patente einkaufen. Und das mit einem immer stärkeren Yuan, dessen Außenwert derzeit noch künstlich niedriggehalten wird, um die Exporte zu stützen.

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