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Politik: Chinas Führung zeigt Nerven

Regierung befürchtet, dass der Volkskongress in diesem Jahr von Protesten begleitet wird

Für Chinas Führung ist es das wichtigste Ereignis des Jahres: Etwa 3000 Delegierte des Nationalen Volkskongresses, offiziell das höchste Staatsorgan des Landes, kommen jedes Jahr im März in Peking zusammen, um die Arbeit der chinesischen Regierung zu bestätigen. Viel Kritik oder gar Ablehnung muss diese von den Delegierten nicht befürchten. Die an diesem Samstag beginnende rund zweiwöchige Tagung ist lediglich ein politisches Ritual der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Denn alle wichtigen Entscheidungen sind bereits in den engen Führungszirkeln der KPCh gefallen.

Dennoch birgt die diesjährige Sitzung des Volkskongresses einige Spannung. Zum einen, weil der neue Fünfjahresplan verabschiedet wird, der die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes skizziert. Zum anderen, weil unbekannte Organisatoren für Sonntag erneut zu „Jasmin-Protesten“ für mehr Demokratie aufgerufen haben. Mit einem Großaufgebot an Sicherheitskräften werden Chinas Behörden auch diesmal jeden Protest im Keim ersticken.

Nichts soll die Inszenierung stören, bei der Chinas Führung ihre politischen Visionen bekannt gibt. Als größte Aufgabe hat sie sich den Umbau der Wirtschaft vorgenommen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll die Exportabhängigkeit des Landes verringert und die Binnennachfrage gestärkt werden. Daneben will China von seinem Status als Billiglohnland wegkommen, hin zum Produzenten von hochwertigen Produkten. Der Umstrukturierung liegt die Warnung von Regierungschef Wen Jiabao zugrunde, dass Chinas Wirtschaft „instabil, unausgewogen, unkoordiniert und letztendlich nicht aufrechtzuerhalten“ sei. Aus diesem Grund soll die Wirtschaftskraft gebremst werden und in den nächsten fünf Jahren nur noch mit sieben Prozent jährlich wachsen. Schon vor dem Volkskongress hatten chinesische Spitzenpolitiker betont, dass man kein Wachstum um jeden Preis anstrebe. „Wir müssen den Kuchen nicht nur größer machen, sondern auch gerechter verteilen, damit jeder die Früchte der Reform und Öffnung ernten kann“, sagte Wen Jiabao.

Die rasante Inflation, besonders bei Lebensmitteln und Immobilien, sorgt für Unmut in der Bevölkerung. Vor allem die Landbevölkerung trifft die Preissteigerung hart. Denn deren Einkommen beträgt gerade einmal ein Drittel im Vergleich zu dem der Stadtbewohner. Noch immer klafft die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinander. Deshalb will die Regierung niedrige Einkommen anheben. Allerdings konnten bisherige Anhebungen der Mindestlöhne die Kostensteigerung im Land nicht ausgleichen. Auch Reformen bei der Renten- und Krankenversicherung werden seit langem angekündigt. Dabei gehört soziale Sicherheit nach aktuellen Umfragen neben den massiven Preissteigerungen und den überteuerten Wohnungen zu den Hauptsorgen der Menschen.

Wohl deshalb reagieren die Machthaber in Peking derzeit auf jede Form des Protests so nervös. Obwohl die Internetaufrufe zu „Jasmin-Protesten“ nach arabischem Vorbild in China bisher nur geringen Zulauf haben, reagieren die Sicherheitsbehörden mit einer beispiellosen Machtdemonstration. Bürgerrechtler wurden festgenommen, stehen unter Hausarrest, wurden eingeschüchtert oder verschleppt. Gleichzeitig versuchen die Behörden, eine kritische Berichterstattung ausländischer Journalisten zu verhindern. Die Polizei wies Korrespondenten an, künftig die Genehmigung örtlicher Stellen einzuholen, bevor sie Interviews machen oder die Berichterstattung aufnehmen. Wegen der neuen Einschüchterungsversuche hat die Bundesregierung den chinesischen Gesandten in Berlin ins Auswärtige Amt zitiert. Außenminister Guido Westerwelle verurteilte bereits am Donnerstag das Vorgehen und verlangte die „ungehinderte und freie“ Berichterstattung für die im Land akkreditierten deutschen Journalisten. mit dpa

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