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In Sicherheit soll Aktivist Guangcheng nun sein, das hatte die Regierung versprochen. Eigentlich. Hillary Clinton will wachsam bleiben. Foto: Jordan Pouille/AFP

© AFP

Chinesischer Dissident: Behörden drohten Chens Frau angeblich mit dem Tod

Der blinde chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng hat die US-Botschaft in Peking verlassen. Zuvor soll seine Familie von den chinesischen Behörden massiv bedroht worden sein.

Nur einige Stunden währte am Mittwoch der Eindruck, die US-amerikanischen Diplomaten hätten eine bessere Zukunft für den blinden chinesischen Bürgerrechtler Chen Guangcheng herausgehandelt. Dann erreichte ein Reporter der Nachrichtenagentur AP nachts einen aufgelösten Chen Guangcheng im Chaoyang-Krankenhaus und erfuhr von ihm einen ganz anderen Grund dafür, warum der blinde Bürgerrechtler den Schutz der US-Botschaft in Peking verlassen hat, in die er sechs Tage zuvor geflüchtet war.

Demnach hatten die chinesischen Behörden gedroht, seine Frau totzuschlagen, wenn er die Botschaft nicht verlasse. Diese Nachricht hätten ihm US-Offizielle von der chinesischen Seite überbracht. Der Menschenrechtsanwalt Teng Biao und die Aktivistin Zeng Jinyan, die beide mit Chen befreundet sind, bestätigten die Drohung im Kurznachrichtendienst Twitter. „Ich habe Guangcheng gefragt: Es gibt die Nachricht, dass du bedroht worden bist“, schreibt Teng Biao. „Er sagte: Richtig, sehr richtig.“ Beamte des chinesischen Außenministeriums hätten dem Bürgerrechtler gesagt, wenn er nicht die US-Botschaft verlasse, würden seine Frau Yuan Weijing und die Kinder zurück in die Provinz Shandong geschickt, wo Schläger mit Stöcken auf sie warten würden.

Nach Angaben von Chen Guangcheng sind er und seine Familie während des 18-monatigen illegalen Hausarrests in seinem Heimatort Dongshigu mehrfach bedroht und geschlagen worden. Vor eineinhalb Wochen ist dem Menschenrechtsaktivisten, der sich für Opfer von Zwangsabtreibungen eingesetzt hatte, die Flucht gelungen. US-Außenministerin Hillary Clinton und andere amerikanische Diplomaten hatten erklärt, er habe die Botschaft verlassen aufgrund einer Zusicherung der chinesischen Regierung. Demnach könne er in Zukunft in China mit seiner Familie an einem „sicheren Ort“ leben und ein Jurastudium aufnehmen.

China fordert Entschuldigung von den USA

„Ich bin sehr erfreut, dass wir Chen Guangchengs Aufenthalt und sein Verlassen der US-Botschaft in einer Weise ermöglichen konnten, die seine Wahl und unsere Werte reflektieren“, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton, die am Mittwoch in Peking eingetroffen ist. Beide Regierungen hatten vor dem an diesem Donnerstag beginnenden bilateralen Sicherheits- und Wirtschaftsdialog tage- und nächtelang verhandelt. Das chinesische Außenministerium erklärte, er habe die US-Botschaft „auf eigenen Wunsch“ verlassen.

China forderte von der US-Regierung eine Entschuldigung, weil die Botschaft ihn auf „ungewöhnlichem Wege“ aufgenommen habe. Das sei eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas. Doch die USA stehen nun vor einer anderen Schwierigkeit. „Die Verpflichtungen in die Realität umzusetzen, ist die nächste schwierige Aufgabe“, sagte Clinton. Die USA würden sich weiter für Chen und seine Familie engagieren, versprach die US-Außenministerin. Tatsächlich sollen die chinesischen Behörden zugesichert haben, dass amerikanische Mediziner und Diplomaten regelmäßig Zugang zu ihm bekämen. Einige Menschenrechtsorganisationen hatten allerdings sofort Zweifel an der Vereinbarung geäußert. „Was passiert nach dem Führungswechsel im Oktober? Werden sich die neuen Führer an die Vereinbarung gebunden fühlen?“, fragt Nicholas Bequelin, China-Experte von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Am Mittwochnachmittag war Chen Guangcheng begleitet vom US-Botschafter zur Behandlung seiner auf der Flucht erlittenen Verletzungen in die Chaoyang-Klinik gefahren.

Dort warteten auch seine Frau und seine beiden Kinder. Während der Fahrt telefonierte er auch mit Clinton und soll nach Angaben eines US-Beamten dankbar gesagt haben: „I want to kiss you“. Tatsächlich, sagte er später, habe er ausdrücken wollen, dass er sie treffen wollte. Offenbar nicht das einzige Missverständnis zwischen beiden Seiten. Als ihn der Fernsehsender „Channel4news“ in der Nacht zu Donnerstag im Krankenhaus erreichte, sagte Chen Guangcheng: „Keiner von der US-Botschaft ist hier, ich verstehe nicht warum – sie hatten versprochen, da zu sein.“ Seine Frau habe große Angst.

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