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Politik: Chinesischer Journalist bei Recherchen getötet

Lan Chengzhang wollte über die Situation in Chinas Kohleminen berichten, als er angegriffen wurde. Am Dienstag vergangener Woche hatte der Journalist der „China Handelsnachrichten“ mit Kollegen eine Mine nahe der nördlichen Industriestadt Datong besucht.

Lan Chengzhang wollte über die Situation in Chinas Kohleminen berichten, als er angegriffen wurde. Am Dienstag vergangener Woche hatte der Journalist der „China Handelsnachrichten“ mit Kollegen eine Mine nahe der nördlichen Industriestadt Datong besucht. Offenbar auf Anweisung des Minenbesitzers wurden die Journalisten von den Arbeitern umstellt und anschließend brutal verprügelt.

Der Fall hätte vermutlich kaum Aufmerksamkeit erregt. Jeden Tag werden irgendwo in China Journalisten drangsaliert, unter Druck gesetzt oder im Auftrag von Behörden oder Firmen verprügelt. Doch in Lans Fall schlugen die Handlanger der örtlichen Kohleindustrie wohl etwas härter zu. Der Journalist sei am Abend des 9. Januar „in schlechter Verfassung“ in das Volkskrankenhaus Nummer drei in Datong eingeliefert worden, berichtet die Internetseite „Tianya“. Sein Kollege habe ein gebrochenes Bein gehabt. Die Ärzte behielten Lan zur Beobachtung über Nacht im Krankenhaus. Am nächsten Morgen war er an den Folgen seiner inneren Blutungen gestorben, berichtet die „Nanfang Dushi Bao“ („Südliche Metropolen-Zeitung“), die trotz der Zensur häufig als erste über kritische Themen berichtet.

Die Regierung von Datong reagierte, wie Behörden in China reagieren: Sie versuchte, den Fall zu vertuschen. Tagelang durften die Zeitungen in der Provinz Shanxi und Nordchina über das Verbrechen nicht berichten. Journalisten aus anderen Provinzen, die nach Datong gereist waren, wurde der Zugang zum Krankenhaus verwehrt. Schließlich versuchten die Behörden, Lan zu diskreditieren. Weil er nicht fest angestellt war, sei Lan kein echter Journalist gewesen, erklärten die Beamten. Gerüchte wurden gestreut: Lan habe versucht, die Minenbesitzer zu erpressen. Einen Tag nach dem Überfall veröffentlichte die Stadt Datong einen Erlass, der die Behörden vor „falschen Reportern“ und illegalen Interviews warnte. Lan Chengzhang besaß keinen Journalistenausweis, weil er erst wenige Wochen zuvor bei den „China Handelsnachrichten“ als Reporter angefangen hatte. Zuvor hatte der etwa 30-Jährige bereits für Zeitschriften gearbeitet. Auch in Chinas Medien ist es üblich, junge Journalisten zuerst als freie Mitarbeiter zu beschäftigen, um Geld zu sparen.

Der Kohleabbau gehört zu den wichtigsten Industrien in Shanxi. Viele der Minen sind im Besitz der Landkreise und lokalen Behörden und zugleich deren einzige Einnahmequelle. Weil jedoch die Regierung versucht, die notorisch unsicheren und zum Teil illegalen Kohleminen zu regulieren, sind die Minenbesitzer unter Druck. Offiziellen Angaben zufolge starben vergangenes Jahr 4746 Kumpel bei Unfällen. Die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen.

Chinas Behörden und Unternehmen greifen immer häufiger zu Mafiamethoden, um unliebsame Kritiker und Journalisten mundtot zu machen. Im Juni 2006 wurde der Bauer Fu Xiancai, der über Korruptionsfälle am Dreischluchtenstaudamm berichtet hatte, offenbar im Auftrag der lokalen Polizei zusammengeschlagen. Er überlebte knapp und ist seitdem vom Hals abwärts gelähmt. Auch Umweltaktivisten und Journalisten wurden Opfer von Misshandlungen.

Harald Maass[Peking]

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