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Politik: Chirac in Berlin: Wir lassen den Aufbau nicht zunichte machen

Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hat als erstes ausländisches Staatsoberhaupt unter dem Titel "Unser Europa" eine Rede vor dem Bundestag im umgebauten Reichstagsgebäude gehalten. Auszüge"Ich gehöre zu denjenigen, die immer gehofft hatten, dass Deutschland seine Einheit und seine Hauptstadt wieder erlangen werde.

Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hat als erstes ausländisches Staatsoberhaupt unter dem Titel "Unser Europa" eine Rede vor dem Bundestag im umgebauten Reichstagsgebäude gehalten. Auszüge

"Ich gehöre zu denjenigen, die immer gehofft hatten, dass Deutschland seine Einheit und seine Hauptstadt wieder erlangen werde. (...) Dass ich der erste ausländische Staatschef bin, der hier von diesem Pult aus zu ganz Deutschland sprechen kann, bewegt mich tief. (...)

Würdigen möchte ich schließlich Helmut Kohl und ihm sagen, dass das immense Werk, das er gemeinsam mit Francois Mitterrand zur weiteren Stärkung des Zusammenhalts und der Identität Europas vollbracht hat, im Gedächtnis der Franzosen wie auch aller Europäer bleiben wird. (...)

Zunächst bin ich davon überzeugt, dass die Erweiterung der Europäischen Union ein bedeutendes legitimes und notwendiges Ziel ist. Sie ist im Gange. Für die Beitrittskandidaten wie auch für die Mitgliedstaaten wird dies nicht einfach sein. Aber morgen werden am Brüsseler Verhandlungstisch 30 oder vielleicht noch mehr sitzen (...).

Die Erweiterung darf keine Flucht nach vorne sein. Wir werden nicht zulassen, dass das europäische Aufbauwerk zunichte gemacht wird. (...) Ferner bin ich davon überzeugt, dass sich das Tempo des europäischen Aufbauwerkes nicht vorherbestimmen lässt. (...)

Zu behaupten, es stünden sich diejenigen, die die nationale Souveränität verteidigen, und diejenigen, die deren Ausverkauf betreiben, gegenüber, käme einer Verfälschung der Wahrheit gleich. Weder Sie Deutsche noch wir Franzosen wollen einen europäischen Superstaat, der an die Stelle unserer Nationalstaaten treten (...) würde. (...)

Die bevorstehende große Erweiterung muss mit eingehenden Überlegungen über die Institutionen einhergehen. (...) Zunächst muss die Europäische Union demokratischer werden. (...) Des Weiteren ist die Aufteilung der Befugnisse zwischen den verschiedenen europäischen Ebenen zu klären, ohne sie allerdings ein für allemal festzuschreiben. Wir müssen genau festlegen, wer was in Europa zu tun hat. (...)

Gemeinsam mit Deutschland und Frankreich könnten sie (andere Länder) eine "Pionier-Gruppe" bilden. Diese Gruppe würde die Rolle eines Wegbereiters spielen, indem sie auf das bei der Regierungskonferenz festgelegte neue Verfahren zur verstärkten Zusammenarbeit zurückgreift. (...)

Sollen diese Staaten untereinander einen neuen Vertrag schließen und komplexe Institutionen errichten? Ich glaube nicht. (...) Eher sollte man (...) einen flexiblen Koordinierungsmechanismus schaffen. (...)

Nach diesen Arbeiten, die sicherlich einige Jahre in Anspruch nehmen werden, hätten zunächst die Regierungen und danach die Völker über einen Text zu befinden, den wir dann als erste Europäische Verfassung proklamieren könnten. (...) Damit aber das europäische Aufbauwerk vorankommt, müssen wir zunächst die deutsch-französische Freundschaft weiter vertiefen und ihr vielleicht sogar einen neuen Impuls verleihen. (...)

Nur sie (Deutschland und Frankreich) vermögen Europa voranzubringen, sei es bei der Verwirklichung seiner Ziele, bei der Ausweitung seiner Grenzen oder bei seiner Verankerung in den Herzen. (...) Es lebe Deutschland. Es lebe Frankreich. Es lebe die Europäische Union."

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