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Politik: Chiracs Gegengift gegen Rechtsextrem Entwicklungsministerin unterstützt Regierung wegen Le Pen

Von Sabine Heimgärtner, Paris Im Wohnzimmer der algerischen Familie Saifi türmen sich Blumensträuße und Glückwunschkarten. Immer noch pilgern Freunde und Bewohner der nordfranzösischen Kleinstadt Hautmont ins Haus von Yamina, der 70-jährigen Witwe, die auf einen Schlag in ganz Frankreich berühmt wurde.

Von Sabine Heimgärtner, Paris

Im Wohnzimmer der algerischen Familie Saifi türmen sich Blumensträuße und Glückwunschkarten. Immer noch pilgern Freunde und Bewohner der nordfranzösischen Kleinstadt Hautmont ins Haus von Yamina, der 70-jährigen Witwe, die auf einen Schlag in ganz Frankreich berühmt wurde.

Herzerweichende Bilder der Mutter von 13 Kindern flimmern über die Fernsehschirme, in selig-weinender Umarmung mit ihrer 42-jährigen Tochter Tokia. Tokia Saifi war über Nacht in das Kabinett der neuen französischen Regierung berufen worden, als dem Umweltressort beigeordnete Ministerin für Entwicklungspolitik. Und weil die Geschichte so viel Märchenhaftes hat, der Aufstieg eines armen, nordafrikanischen Einwanderermädchens in die hohe Pariser Politik, ein bisschen Aschenputtel-Romantik und Tausendundeine Nacht - deshalb wurde Tokia Saifi binnen weniger Tage zum Liebling der Medien.

Seitdem wird gefeiert in der Familie Saifi, mit viel Couscous und Pfefferminztee, immer unter dem Fotoporträt des „Patron“, Tokias verstorbenem Vater Korichi, der Anfang der 50er Jahre als Gastarbeiter nach Frankreich kam und seine Großfamilie gründete. Sie lebt heute noch in dem eher armseligen Häuschen von damals, mitten im tristen Einwandererviertel der Kleinstadt, in der der rechtsradikale Politiker Jean-Marie Le Pen bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen Spitzenergebnisse mit über 20 Prozent erzielte.

Vor allem diesem neuen Le-Pen-Effekt in Frankreich hat die zierliche kleine Frau den Start in die Bilderbuchkarriere zu verdanken. Als Europaabgeordnete für die Demokratischen Liberalen war sie politisch zwar kein unbeschriebenes Blatt. Aber vor allem passte sie ins Sieger-Konzept des wieder gewählten Staatspräsidenten Jacques Chirac, nicht zuletzt wegen ihres jüngsten Bekenntnisses: „Man muss die Konservativen unterstützen, vor allem gegen die Manipulationen der Linken, die die Zuwanderer in die Arme der Front Nationale von Le Pen treiben“, sagte Saifi, auch wenn sie gleichzeitig zugab, sich als Einwanderin „natürlicherweise eher links zu fühlen".

Genau diese Mischung war es, die Chirac in seiner „Galopp-Regierung“ bis zum 16. Juni offenbar brauchte, nach dem Motto: Punkte sammeln, Eindruck schinden, Le Pen bei den Parlamentswahlen im Juni Wähler abwerben, bloß nicht verlieren.

Saifi soll demonstrieren, dass die Integration von Zuwanderern in die verwurzelte französische Gesellschaft funktionieren kann und arabische Einwanderer nicht nur im französischen Fußball Erfolge erzielen können.

Der erwünschte Erfolg hat sich bereits eingestellt. Die erste Maghrebinerin auf einem französischen Ministersessel wirkt als „Gegengift“ gegen Rechtsextrem: Selbst die Bewohner von Hautmont, die noch vor weniger als vier Wochen Le Pen gewählt haben, sind plötzlich begeistert von der neuen „Chirac-Regierung“ unter Jean-Pierre Raffarin.

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