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Christian von Boetticher: "An den Standorten gibt es Sorge"

Christian von Boetticher, Fraktionschef der CDU im Kieler Landtag, über die Bundeswehr, die Sinnhaftigkeit einer Aussetzung der Wehrpflicht und Sorge an den Standorten.

Die Bundeswehr wird zum Auslaufmodell erklärt. Teilen Sie diese Auffassung?

Wer wie ich bei der Bundeswehr Dienst geleistet hat und aktiver Reserveübender ist, der weiß, dass die Bundeswehr alles andere als ein Auslaufmodell ist. Allerdings hat sich – diese Auffassung des Verteidigungsministers teile ich uneingeschränkt – ihre Aufgabenstellung stark gewandelt. Die Bedrohung des Kalten Krieges ist zum Glück vorbei. Die Wahrscheinlichkeit eines umfangreichen bewaffneten Angriffs auf unser Land ist in den kommenden Jahren gering. Stattdessen sind Einsätze im Rahmen internationaler Bündnisse hinzugekommen. Die Truppe hat sich auf dieses gewandelte Aufgabenspektrum insgesamt sehr gut eingestellt. Für die Struktur der Stäbe und des Verteidigungsministeriums gilt das nicht in jedem Fall. Auch diese Auffassung teile ich ausdrücklich. Im Hinblick auf die Wehrpflicht bin ich noch nicht überzeugt, dass wir sie wirklich aussetzen und damit faktisch abschaffen sollten.

Schleswig-Holstein ist sehr stark von der Bundeswehr geprägt. Muss jetzt monatelang an vielen Standorten gezittert werden?

Es ist doch völlig klar, dass es in den Standorten große Sorgen gibt: Schließlich geht es um die Familien der Soldaten und Zivilbediensteten. Viele Soldaten engagieren sich ehrenamtlich in Vereinen. Auch für die örtliche Wirtschaft ist der Standort ein ganz entscheidender Faktor. Und Schleswig-Holstein hat bekanntlich bei den vergangenen Standortschließungen unter Rot-Grün außerordentlich schlechte Erfahrungen gemacht. Damals ging es mehr um die Wahlkreise der Bundesminister, als um sicherheitspolitische Gründe. Die rot-grüne Landesregierung in Kiel hat damals trotzdem den Streit mit ihren Parteifreunden gescheut. Dieser Stachel sitzt in unseren Standortgemeinden tief. Wir werden deshalb Wert darauf legen, dass die Standortfragen ausschließlich sicherheitspolitisch begründet werden. Der gesamte Prozess muss transparent sein.

Wenn schon mit Blick auf die Finanzen Opfer seitens des Verteidigungsministeriums kommen, wie sollten diese aussehen? Können Sie sich mit dem Vorschlag eines verpflichtenden Heimatschutzdienstes ihres niedersächsischen Parteikollegen und dortigen Innenministers Uwe Schünemann anfreunden?

Ich habe bereits gesagt, dass ich von der Sinnhaftigkeit einer Aussetzung der Wehrpflicht noch nicht überzeugt bin. Das gilt auch für die Höhe der finanziellen Opfer des Verteidigungsministeriums. Wir können beispielsweise nicht auf der einen Seite einen Sitz im UN-Sicherheitsrat fordern, und auf der anderen Seite unseren Verteidigungshaushalt einmal mehr zum Steinbruch für andere Ressorts machen. Unser Anteil der Verteidigungsausgaben am Gesamthaushalt ist im Vergleich zu dem anderer europäischer Länder wie England oder Frankreich bereits heute sehr niedrig. Wir sind die größte Volkswirtschaft Europas und haben unsere Sicherheit am Eisernen Vorhang jahrzehntelang der Solidarität unserer Bündnispartner verdankt. Das hat diese Partner erhebliche Summen gekostet. Auch deshalb müssen wir heute unseren Beitrag in den Bündnissen leisten. Also: Reformen ja, aber mit Augenmaß. Dazu könnte auch der Vorschlag von Uwe Schünemann einen Beitrag leisten.

Christian von Boetticher (39) ist seit einem Jahr Fraktionschef im Kieler Landtag. Vor wenigen Wochen wurde er auch Parteichef der Nord-CDU. Die Fragen stellte Dieter Hanisch.

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