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Politik: Christlich oder nur religiös?

Die geplante Präambel der Verfassung erntet Kritik

Es klingt ein bisschen wie in Heinrich Bölls Satire „Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“. Dort muss Dr. Murke, der in der Abteilung Kulturwort eines Rundfunksenders arbeitet, in zwei Vorträgen das Wort „Gott“ durch die Formulierung „jenes höhere Wesen, das wir verehren“ ersetzen. Ähnlich liest sich jene Stelle in dem Entwurf des Franzosen Valéry Giscard d’Estaing für die EU-Verfassung, die sich mit dem umstrittenen Gottesbezug befasst. Dort ist die Rede von „kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas“ und auch von dem „geistigen Streben, von dem Europa durchdrungen war und das noch heute in seinem Erbe fortlebt“. Dass mit den religiösen Überlieferungen Europas in erster Linie das christliche Erbe gemeint ist, wird in dem Entwurf der Verfassungs-Präambel nicht ausdrücklich erwähnt. Dagegen regt sich nicht nur bei Kirchen Widerstand, sondern auch bei weltlich geprägten Politikern.

So hat sich ausgerechnet Polens atheistischer Premierminister Alexander Kwasniewski zu Wort gemeldet und den fehlenden Bezug auf das Christentum kritisiert: Es gebe keinerlei Entschuldigung dafür, dass in der Präambel „auf Griechenland, das alte Rom und die Aufklärung verwiesen wird, nicht aber auf die christlichen Werte, die für die Entwicklung Europas so entscheidend sind“, sagte Kwasniewski der britischen Tageszeitung „Daily Telegraph“.

Auch Mitglieder des Straßburger Europaparlaments kritisierten am Mittwoch Giscards Präambel-Entwurf. Hans-Gert Pöttering, der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, forderte, das „christliche Erbe“ in die EU-Verfassung aufzunehmen. Auch der SPD-Europaabgeordnete Klaus Hänsch, selbst Mitglied im EU-Konvent, erwartet noch Veränderungen in dem Entwurf.

Wie Hänsch ist auch das Kommissariat der deutschen Bischöfe der Auffassung, dass die deutsche Übersetzung von Giscards französischem Entwurf nicht geglückt ist. In einem gemeinsamen Änderungsvorschlag mit dem Rat der Evangelischen Kirche geben die Katholiken deshalb mehrere Übersetzungshilfen. Eine davon lautet, in der Präambel nicht nur die griechisch-römische Zivilisation als Wurzel Europas zu erwähnen, sondern auch die „jüdisch-christlichen Werte“.

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