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Christoph Ahlhaus: "Das Zuwanderungsrecht ist gescheitert"

Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus über Integration, Stuttgart 21 und die Frage, ob die CDU zu wenig konservativ ist.

Herr Ahlhaus, Sie bezeichnen sich selbst als einen Konservativen. Was ist heute ein konservativer CDU-Politiker?

Jede Partei wird mit bestimmten Werten und Auffassungen verbunden und bindet damit ganz bestimmte Wählerschichten an sich. Das gilt auch für die CDU. Wobei die CDU keineswegs nur konservativ im eigentlichen Wortsinne, sondern vielmehr zurzeit die einzige Partei ist, die sich engagiert für Zukunftsprojekte in unserem Land einsetzt. In der Vergangenheit hat es der CDU sehr gut getan, klar zu unterstreichen, wofür sie steht. Ich glaube, es ist nötig, dass wir das auch in Zukunft deutlicher tun.

Kann ein konservativer Christdemokrat mit den Grünen überhaupt regieren?

Selbstverständlich! Unser Bündnis in Hamburg zeigt, dass das zwar mitunter für beide Partner anstrengend ist, im Ergebnis aber zum Wohle der Stadt sehr gut funktioniert. Und vor allem zeigt es, dass es trotzdem gelingen kann, an klaren politischen Konturen festzuhalten. Und gerade in einer inhaltlich sehr anspruchsvollen Koalition, die beiden Seiten einiges abverlangt, ist das zur Wählerorientierung besonders wichtig. Mein Eindruck ist, dass auch die CDU in Deutschland zu oft auf die Umfragewerte achtet und sich deshalb Positionen annähert, die am Ende die eigenen Stammwähler verstören.

Wo verstört die CDU denn Stammwähler?

Zum Beispiel in der Art und Weise, wie Debatten geführt werden. Obwohl innerhalb parteiinterner Gremien Positionen überhaupt nicht strittig sind, gibt es in den Medien eine intensive und lebendige Diskussion darüber, die man ohne Übertreibung auch Streit nennen kann. Es ist an der Zeit, Korpsgeist im besten Sinne des Wortes zu entwickeln und geschlossener aufzutreten, als das bisher der Fall war. Genauso, wie es notwendig ist, dass wir den Menschen klarer und pointierter sagen, wofür die CDU steht.

Werden konservative Positionen in der CDU zu Außenseiterpositionen?

Überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Das können Sie durchaus auch an der personellen Entwicklung in der Union in den letzten zwölf Monaten ablesen. Zur Wahrheit dieser Debatte gehört allerdings auch, dass diejenigen, die lauthals beklagen, die CDU sei zu wenig konservativ, oftmals die Antwort schuldig bleiben, wo die CDU denn konkret ihre Politik ändern sollte. Die Folge ist, dass die Parteimitglieder das Gefühl haben, die CDU gebe traditionelle Positionen auf, obwohl das bei Lichte betrachtet überhaupt nicht der Fall ist. Diese Entwicklung ist ein Warnsignal für die CDU. Wir haben ein Wertegerüst, das in der Öffentlichkeit viel intensiver kommuniziert werden muss. Dies ist allerdings nicht allein Aufgabe der CDU-Bundesvorsitzenden, sondern daran müssen alle durch konkretes Handeln mitarbeiten. Ein konservatives Wertegerüst kann man jedenfalls nicht durch Beklagen, es fehle, herbeireden.

In Stuttgart demonstrieren Bürger gegen die Politik einer konservativen Regierung. Versteht Ihre Partei die Bürger nicht mehr?

Ich glaube nicht, dass das Ziel der auch bürgerlichen Ablehnung von Stuttgart 21 der Widerstand gegen konservative Politik ist. Sorge macht mir vielmehr die Tatsache, dass demokratische Entscheidungen, die in jahrelangen Planfeststellungsverfahren mit breiter Bürgerbeteiligung entwickelt worden sind, offensichtlich bei vielen selbst dann keine Akzeptanz mehr finden, wenn sie gerichtlich überprüft und bestätigt worden sind. Wenn wir nicht aufpassen, kann das zur Krise unseres Rechtsstaates und unserer repräsentativen Demokratie werden. Sorge macht mir dabei auch der zunehmende Egoismus in der Gesellschaft, der die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes aufs Spiel setzt. Obwohl Stuttgart 21 erkennbar eine große Chance für Stuttgart darstellt, wenden sich viele auch ältere Bürger dagegen. Hier will eine im Wohlstand aufgewachsene Generation in ihrer noch verbleibenden Lebenszeit keine Großbaustelle vor der Tür haben. Ich will nicht falsch verstanden werden: Kritik ist im Rechtsstaat legitim, und die Politik hat die Pflicht, das ernst zu nehmen, allerdings hat Politik auch die Aufgabe, für die künftigen Generationen zu denken. Und die gewünschte Beteiligung und auch der Protest muss sich der Instrumente bedienen, die dieser Rechtsstaat besser und umfangreicher als jedes Land der Erde bereitstellt.

Herr Ahlhaus, mit seinen umstrittenen Integrationsthesen stößt Thilo Sarrazin auf breite Zustimmung. Ignoriert die Politik diese Stimmung in der Bevölkerung?

Offensichtlich hat Politik insgesamt es bisher nicht verstanden, mit den Stimmungen und Ängste der Menschen richtig umzugehen. Klar muss doch sein, dass in Deutschland jeder akzeptiert wird, der sich auf dem Boden des Grundgesetzes und unseres Wertesystems bewegt. Aber genauso deutlich muss man sagen, dass jeder, der nach Deutschland kommen will, aber unsere Ordnung nicht akzeptieren will, hier nichts zu suchen hat.

Eine solche Klarheit gibt das Zuwanderungsrecht nicht her.

Jeder weiß, dass das Zuwanderungsrecht in Deutschland in der Praxis gescheitert ist. Wir wollten lange Zeit nicht akzeptieren, dass es tatsächlich Zuwanderung nach Deutschland gibt, haben uns aber bereit erklärt, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen einen Gaststatus ohne Arbeitserlaubnis und Integrationshilfen zu geben. Dahinter stand das Grundverständnis unseres Ausländerrechts: Die sollen sich gar nicht integrieren, denn sie sind nur Gast und sollen auch bald wieder gehen. Die Praxis sieht aber seit Jahrzehnten anders aus. In der Erkenntnis darüber ist die Politik inzwischen weiter, die rechtlichen Grundlagen gehen aber noch an der Realität vorbei. Wie sonst ist es zu erklären, dass dieser Staat „Härtefallkommissionen“ braucht, um das Recht legal zu brechen, weil man die Ergebnisse der Rechtslage nicht akzeptieren möchte?

Muss das Recht geändert werden?

Wir brauchen ein klares und verständliches Zuwanderungsrecht. Es muss Schluss sein mit der Botschaft: Deutschland breitet die Arme für alle aus. Stattdessen müssen wir klar sagen, dass wir einerseits politisch Verfolgten natürlich auch weiter Asyl geben. Anderseits muss Missbrauch konsequent geahndet werden können. Wir müssen uns dazu bekennen, dass wir Zuwanderung nach legitimen nationalen Interessen unseres Landes qualitativ und quantitativ steuern wollen. Wir müssen künftig selbst bestimmen, wen wir wollen und wem wir die Integration zutrauen. Das bedeutet aber auch, dass wir denjenigen, die wir für integrationsfähig und -willig halten, von Anfang an alle Unterstützung bei der Integration bieten, im Erfolgsfall bis zur Einbürgerung. Andererseits muss klar sein: Wer sich am Ende trotz aller Integrationsbemühungen des Staates nicht integrieren will, dem müssen wir schneller als bisher klar machen, dass er hier nicht dauerhaft leben kann. So gehen viele Länder der Welt mit Zuwanderung um, und so müssen auch wir es tun.

Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

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