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Das US-Gefangenenlager in Guantanamo Bay auf Kuba.

© dpa

CIA-Folter: Keine Taten ohne Täter

Die USA befassen sich intensiv mit der erneut aktuell gewordenen CIA-Folter. Aber das ist zu wenig. Reden, streiten, debattieren – das kann nur ein Anfang sein. Wer Verbrechen dieser Dimension derart klar benennt, muss zu Konsequenzen bereit sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Amerika ist schuld. Ob Todesstrafe, Waffenbesitz, Rassismus, Drohnenkriege, TTIP, NSA oder CIA – alles fügt sich zu einem Weltbild, das der Verdammung dient. Reflexe setzen ein, die unter dem Vorwand, Gerechtigkeit stiften zu wollen, den Werterelativismus befördern. Barack Obama oder Wladimir Putin, demokratischer Westen oder gelenkte Pseudodemokratie, NSA oder Stasi, Krieg gegen den Terror oder gewaltsame Annexion fremden Territoriums: Irgendwie sei das doch alles dasselbe, meint eine linksrechte Koalition jener, die in der Doppelmoral das Wesen von Moral überhaupt sehen.

Verwischt wird dabei der Unterschied zwischen systemfremdem und systematischem Unrecht. Um es anschaulich zu formulieren: Die US-Regierung hält ohne Verfahren Gefangene auf Guantanamo fest, obwohl Amerika ein Rechtsstaat ist – in dieser Diskrepanz liegt der Skandal; die chinesische Regierung sperrt Dissidenten ein, weil das Land über keine unabhängige Justiz verfügt, weder Gewaltenteilung kennt noch Demokratie – das wiederum ist ein Skandal an sich.

Vorweg muss solches gesagt werden, weil auch die erneut aktuell gewordene CIA-Folter einen perfekten Resonanzboden für antiamerikanische Ressentiments bietet. Doch dafür ist das Thema zu ernst. Ja, es stimmt: Obama hat die grausame Praxis längst beendet, und im Gegensatz zu anderen Staaten, in denen gefoltert wird, befasst sich das Land intensiv mit diesem Kapitel seiner Geschichte. Aber das ist zu wenig. Reden, streiten, debattieren – das kann nur ein Anfang sein. Wer Verbrechen dieser Dimension derart klar benennt, muss zu Konsequenzen bereit sein, zu Anklagen und Strafen. Verbrechen ohne Verantwortlichkeiten sind keine Verbrechen, sondern Parlamentsdebatten- und Talkshowstoff.

Folter darf nicht ungestraft bleiben

Folter ist ein Verbrechen. Amerika hat die UN-Konvention unterzeichnet, die diese Praxis verbietet. Zu Zeiten der Bush-Administration war sie dennoch gang und gäbe, abgesegnet von diversen „Rechts“institutionen. Verpönt allerdings war das Wort. Man sprach lieber von „harschen Verhörmethoden“. Diesen Begriff euphemistisch zu nennen, wäre selbst euphemistisch. Kein Hinweis auf die besondere Situation nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 oder auf angeblich gewonnene Informationen über drohende Gefahren mindert die Wucht dieser Unmenschlichkeit.

Amerika ringt nun mit sich selbst, die Diskussion über die Folter zerreißt das Land. Erschreckend, wie uneinsichtig große Teile der Bevölkerung und des republikanischen Establishments sind. Ex-Vizepräsident Dick Cheney verteidigt die Torturen bis heute. Ist der Westen eine Wertegemeinschaft? Wer die Folter propagiert, stellt sich außerhalb. Da darf es keine politische Rücksichtnahme von Freunden und Bündnispartnern geben. Ist das ein Zeichen europäischer Selbstgerechtigkeit? Einen solchen Vorwurf gegenüber den Gegnern der Folter zu erheben, wäre der Gipfel zynischer Hybris.

Strafe hat sühnende und abschreckende Funktion. Würde die CIA-Folter straffrei bleiben, bliebe genau das im Gedächtnis der Welt haften. Keine noch so lebhafte öffentliche Auseinandersetzung könnte den Schaden kompensieren. Niemanden zur Rechenschaft zu ziehen für Taten, die im normativen Sinne unamerikanisch sind, würde wie Hohngelächter wirken über jene, die Amerika nach wie vor für ein wunderbares Land halten.

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