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Politik: Clements Schadstoff

Der Wirtschaftsminister fordert mit seinen Zweifeln an der Ökosteuer die rot-grüne Koalition heraus

Berlin (Tsp). Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte mitten in die Seele der rotgrünen Koalitionsprogrammatik getroffen: Mit seiner Feststellung, dass die Fortführung der Ökosteuer auf den Prüfstand zu stellen sei, wenn erst einmal der Emissionshandel funktioniere, brachte Clement die Grünen und große Teile der eigenen Partei, vor allem den linken Flügel, gegen sich auf. Nicht nur beim kleineren Koalitionspartner wurde am Wochenende der Vorstoß des Wirtschaftsministers als ein Angriff auf das Markenzeichen rot-grüner Politik zurückgewiesen. Auch führende Sozialdemokraten kritisierten Clement und schreckten dabei nicht vor deutlichen Worten zurück.

„Bei uns wächst der Unmut über die Extratouren von Clement“, sagte das Mitglied des Bremer Parteivorstandes, Detlev Albers, am Sonntag nach einem Treffen der Linken am Rande des SPD-Sonderparteitages in Berlin. Der Vorschlag Clements sei inakzeptabel. SPD-Energieexperte Hermann Scheer sagte, Clements Haltung entspreche „nicht dem Meinungsbild in der Fraktion“. Fraktionskollege Axel Berg zeigte sich im Hinblick auf Clements Position um den Emissionshandel „entsetzt“, wie „einseitig“ Clement „die Interessen der Kohlelobby“ vertrete. Der Reflex bei den Grünen war freilich noch heftiger: Die Grünen-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag forderte Clements Rücktritt. Nach seinen jüngsten Äußerungen sei der Koalitionskonsens über eine soziale und ökologische Modernisierung vertan, sagte ihr umweltpolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer, Johannes Remmel. Deshalb sei es nur konsequent, wenn Clement „sich außerhalb der Koalition aufhält und sich aus der Regierung zurückzieht“.

Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer versuchte den Streit um den Emissionshandel zwischen Clement und Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) anderthalb Wochen vor Ablauf der Meldefrist an die EU auf eine sachliche Ebene zurückzuführen. Wenn man den Forderungen des Wirtschaftsministers folge, so Bütikofer, käme es statt einer Reduzierung zu einer Steigerung des Kohlendioxidausstoßes. Zudem gehe es bei dem Handel von Rechten an Abgasmengen „nicht um eine grüne Partei-Marotte“, sondern um ein gemeinsames EU-Projekt. Der Parteichef zeigte sich dennoch optimistisch, dass beide Seiten bis zum 31. März zu einer Lösung finden, wie die erlaubten Kohlendioxid-Ausstoßmengen auf die betroffenen rund 2600 Anlagen in Deutschland verteilt werden sollen.

Streitpunkt ist der so genannte Allokationsplan, den Deutschland der EU-Kommission in Brüssel vorlegen muss. Darin wird geregelt, in welchem Umfang Stromerzeuger und Industrie das klimaschädliche Kohlendioxid ausstoßen dürfen. Über einen europaweiten Handel mit Abgasrechten soll der Ausstoß vermindert werden. Dafür erhalten Kraftwerke und andere Industrieanlagen Emissionsrechte. Wer umweltfreundlich produziert oder Anlagen modernisiert, kann dann die Rechte an Betreiber von umweltschädlichen Anlagen verkaufen. Der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Ekkehard Schulz, kündigte an, bei einer Umsetzung des Konzepts des Bundesumweltministeriums „werden wir aus Wettbewerbsgründen die Produktion eher zurückfahren, als Rechte zuzukaufen". Das könne 700 der 12 000 Arbeitsplätze im Werk Duisburg kosten.

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