zum Hauptinhalt
300280_0_50d284bb.jpg

© dpa

Comeback: André Brie ist links unten

Comebackversuch: André Brie macht, was er seinen Leuten immer gepredigt hat. Straßenwahlkampf in der Provinz, das war nicht der Plan des Linkspolitikers.

Von Matthias Meisner

Lange Jahre war er Wahlkampfchef der PDS, galt als Vordenker, eng befreundet mit Gregor Gysi, also einer der ganz Wichtigen. Jetzt kämpft er im Bundestagswahlkreis 66 mit dem sperrigen Namen Elbe-Elster Oberspreewald-Lausitz II um ein Direktmandat. Als Mitbewerber tritt Michael Stübgen an, CDU, seit 20 Jahren im Bundestag. Und Thomas Zenker von der SPD, beliebter Bürgermeister der Stadt Großräschen inmitten des Lausitzer Seenlandes, ein Linker in seiner Partei, was direkte Angriffe schwierig macht. Ernsthafte Konkurrenten, Brie will der lachende Dritte sein – und muss zugeben, dass ihn die schlechte Ausgangslage in dem „riesigen Gebiet“ verzweifelt gemacht hat.

Sein Wahlhelfer hat den 59-jährigen Mecklenburger im Minivan, Parchimer Kennzeichen, hinten am Nummernschild Reklame für Hansa Rostock, in die Bergbaustadt Schipkau gefahren, Auf den Straßen ist keiner zu sehen, Brie sagt: „Steht auf dem Plan, wird auch abgearbeitet“, nimmt einen Stapel Flyer, stapft los im roten Poloshirt mit der Aufschrift „Links überholen“ und sucht die Schlitze der Briefkästen. Nach ein paar Minuten trifft er doch ein paar Leute, die ein Haus renovieren. Er reicht sein Faltblatt von der Linken über den Zaun. „Ah, beim Oskar“, sagt ein Maler. Mhm. „Der Oskar ist mein Freund“, erklärt der Mann. „Meiner nicht“, murmelt Brie erst im Weggehen. Um die Ecke sieht er die Ernst-Thälmann-Straße. „Die nehme ich noch mit“, sagt er, und erzählt, dass er neulich noch eine Leninstraße gefunden hat. Als ob das Wegmarken zum Erfolg wären. Beim übernächsten Stopp in Neupetershain läuft er wieder zur Thälmannstraße.

Vor ein paar Jahren wollte Brie eine innerparteiliche Opposition gegen Oskar Lafontaine schmieden, anschließend war er bei vielen in seiner Partei unten durch. Selbst Mitstreiter wie Parteichef Lothar Bisky taten nichts für ihn, als er sich im Frühjahr bewarb um einen sicheren Platz für die Wahlen zum Europaparlament, in dem er seit 1999 saß. Oft präzise hatte Brie die Verhältnisse in der Linken analysiert, auf Klärungsprozesse gedrängt. Die Mehrzahl der Genossen aber wollte nicht genervt werden. Gysi musste erst überredet werden, Brie im Kampf um die Erststimmen zu helfen – im überfüllten Saal des Seehotels Großräschen las Gysi dann vor ein paar Tagen von kleinen Zettelchen Sprüche ab. In der Zeitung stand, dass Brie fast nicht zu Wort gekommen sei.

Jeder wisse von sich selbst, dass er etwas wisse oder könne, steht in Bries Flyer. „Es wird nur nicht gewürdigt oder gebraucht.“ Das hat er wohl auch auf sich selbst gemünzt. Seine Genossen im Südosten Brandenburgs erkennen an, wie er hier unten kämpft – sie wünschen ihm Erfolg, aber sie zweifeln daran. Am Abend gibt Barbara Thalheim in Lauchhammer- Ost ein Konzert für Brie. Vor dem Konzert in der entweihten Kirche raucht Brie noch eine, Marke Cabinet, und sagt der Künstlerin über seinen Wahlkampf: „Ich bin nicht der Typ. Ich wusste nicht, dass ich das kann.“ Die Liedermacherin erwidert, sie hätte es nicht gekonnt. Dem Publikum sagt sie, dass sie Brie „sehr gerne mag“. Und singt gleich zu Beginn ihren Titel „Lauter Wunder“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false