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Politik: Comeback und Abrechnung

SPD-Spitze geißelt Schwarz-Gelb und Grüne

Berlin - Frank-Walter Steinmeier ist wieder da, Sigmar Gabriel immer noch, die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht mehr lange. So lautet, kurz gefasst, die Botschaft der SPD an diesem Dienstag, dem ersten Jahrestag des christlich-liberalen Koalitionsvertrags.

Für Steinmeier und Gabriel handelt es es sich um eine Art Feiertag. Der Fraktionschef und der Parteichef der SPD begehen ihn im großen Saal der Bundespressekonferenz. Es gibt viel zu sagen über ein Jahr Schwarz-Gelb, vor allem Negatives, und wegen des Jubiläums der Koalition stehen die Chancen gut, dass manches davon auch gedruckt oder gesendet wird.

Zugleich dient Steinmeier der gemeinsame Auftritt mit Gabriel aber auch dazu, sich zurückzumelden nach achtwöchiger Pause von der Politik. In die hatte er sich am 23. August verabschiedet, um seiner Frau Elke Büdenbender eine Niere zu spenden. Die Transplantation sei, „nach allem, was man sagen kann“, gut gegangen, für seine Frau werde „eine Rückkehr ins normale Leben möglich“, sagt Steinmeier vor der Bundespressekonferenz. Die Rituale des Berliner Politikbetriebs, wortgewaltige Abrechnungen der Opposition mit der Regierung inklusive, wirken in diesem Moment ziemlich nichtig.

Aber auch Steinmeier ist zurück im normalem Leben, er ist der Oppositionsführer, er muss jetzt ran. „Dieses eine Jahr war Pfusch“, sagt Steinmeier. Er könne sich nicht erinnern, dass jemals eine Regierung „so schlecht vorbereitet und so unernsthaft ans Werk gegangen“ sei. Union und FDP hätten Hoffnungen enttäuscht und Versprechen gebrochen. Statt der im Wahlkampf angekündigten Entlastungen für die Bevölkerung gebe es immer neue Belastungen. „Das war ein Jahr lang Politik zum Abgewöhnen.“ Das als Traumpaar gestartete Duo aus Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) sei „für die Mehrheit der Deutschen zum Albtraum geworden“.

Natürlich hat auch Sigmar Gabriel ein paar Vorwürfe in petto. Die Regierung denke „im Wesentlichen darüber nach, welche Lobbyinteressen zu bedienen sind“. Es gebe keine gerechte Steuerpolitik. Zudem habe die Bundeskanzlerin keinerlei Vorstellung davon, wie das Europa der Zukunft aussehen solle. Und über eine vernünftige Wachstumsstrategie verfüge sie auch nicht.

Das alles haben Steinmeier und Gabriel so oder ähnlich schon einmal kritisiert. Und es ist ja auch wahr: Die Regierung steht nach ihrem ersten Jahr alles andere als gut da. Dass davon ausweislich der Umfragen aber vor allem die Grünen und weniger die Sozialdemokraten profitieren, kann das SPD-Spitzenduo nicht kaltlassen. Und das tut es offenbar auch nicht.

Zwar gibt sich Gabriel zunächst alle Mühe, Gelassenheit im Umgang mit der Konkurrenz zu demonstrieren: „Wir sind kein Grünen-Bekämpfungskommando.“ Dann aber lässt sich der SPD-Vorsitzende doch noch zu einem kleinen Exkurs über die Eigenarten der Grünen hinreißen, der erahnen lässt, welche Auseinandersetzungen SPD und Grünen in Wahljahr 2011 noch bevorstehen.

„Ich möchte nicht, dass ein grüner Ministerpräsident die Richtlinien derPolitik bestimmt“, sagt Gabriel mit Blick auf die Wahlen in Berlin und Baden-Württemberg, wo die Grünen in den Umfragen vor der SPD liegen. Die „Reduktion auf einige wenige Themen“, wie sie im „Grünen-Kanon von Politik angeboten“ werde, reiche für politische Führung nicht aus, fährt der SPD-Chef fort. Die Grünen hätten ein „verkürztes Verständnis von Entwicklung und Fortschritt“. Während die SPD die „Verknüpfung“ von wirtschaftlichem Erfolg, sozialer Sicherheit und ökologischer Nachhaltigkeit wolle, definierten die Grünen wirtschaftlichen Erfolg und soziale Sicherheit als „Ableitung“ aus der ökologischen Nachhaltigkeit. Die SPD bleibe dagegen die Partei der öffentlichen Infrastruktur und sei damit „breiter aufgestellt“. Die SPD verstehe sich nicht als „Volksbeglückungspartei“ und wolle eine „kräftige Infrastruktur und eine kräftige Industrie“, betonte Gabriel. „Es gibt keinen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit ohne Risiko.“

Wer Gabriel eine Weile zuhört, ist sich plötzlich nicht mehr ganz so sicher, ob eine rot-grüne Bundesregierung weniger zerstritten auftreten würde, als es die schwarz-gelbe Koalition zum Schrecken ihrer (einstigen) Wähler im ersten Jahr getan hat. Stephan Haselberger

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