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Eine Coronavirus-App auf einem Smartphone (Symbolfoto).

© imago images/MiS

Corona-App auf iPhones: Bundesregierung will Druck auf Apple erhöhen

Corona-Apps funktionieren auf iPhones nur eingeschränkt. Der Bund will bei Apple intervenieren, um die Pepp-PT-Technologie umzusetzen – doch die ist umstritten.

Nach Informationen von Tagesspiegel Background arbeitet die Bundesregierung trotz des Experten-Streites um zentrale und dezentrale Infrastrukturen weiter daran, eine App auf Basis des Pepp-PT-Standards zu entwickeln. Diese sieht eine Kommunikation über zentrale Server vor. Die zentrale Speicherung der Nutzerdaten sei unter anderem notwendig, um die Entwicklung der Epidemie besser verfolgen zu können, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums (BMG) gestern in Berlin. Zu klären sei aber noch, wer auf die pseudonymisierten Daten zugreifen dürfe.

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Erst vor zwei Tagen hatte es auf Anfrage der Linkspolitikern Anke Domscheit-Berg aus dem BMG geheißen, dass auch dezentrale Konzepte bei der App-Entwicklung berücksichtigt würden. Eine Anfrage von Tagesspiegel Background an das BMG blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

CDU-Digitalpolitiker Schipanski: Müssen Druck auf Apple erhöhen

In der gestrigen Sitzung des Ausschuss Digitale Agenda berichtete Thomas Renner, Leiter der Unterabteilung „Digitalisierung und Innovation“ im Bundesgesundheitsministerium, über den Stand bei Corona-Apps. Unter anderem soll Renner gesagt haben, dass das BMG fest mit der App plane, die seit Anfang März unter Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) und dem Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut entwickelt wird.

„Es wird sichergestellt, dass die App ohne rechtliche oder politische Problemstellen umgesetzt wird“, erklärt Tankred Schipanski, digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Gespräch mit Tagesspiegel Background. Dazu gebe es enge Abstimmungen zwischen mehreren Fraunhofer-Instituten mit dem RKI, dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Ein BSI-Sprecher erklärte dazu, man prüfe „laufend die von den Entwicklern zur Verfügung gestellten Versionen der App“.

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„Ich bin fest davon überzeugt, dass sowohl eine zentrale als auch eine dezentrale Ausgestaltung der Corona-App datensparsam und datenschutzkonform erfolgen kann“, erklärt der Vorsitzende des Digitalausschuss Manuel Höferlin (FDP). Die Entscheidung für ein System sei also eine Chance, die Entwicklung endlich zu Beschleunigen. „Gesundheitsminister Spahn kann sich jetzt nur noch selbst im Weg stehen, indem er immer neue Ideen für zusätzliche Funktionen zur Überwachung von Corona-Maßnahmen oder weitergehende Zugriffe auf gesammelte Daten einfordert.“

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Auch Digitalpolitiker Schipanski findet den Expertenstreit um eine zentrale oder dezentrale Lösung weniger wichtig, als möglichst rasch eine App vorzulegen, welche in der jetzigen Situation einen praktischen Nutzen habe. Ein klarer Vorteil der zentralen Lösung für Deutschland sei zudem, dass die lokalen Gesundheitsämter direkt darauf zugreifen können. „Wir dürfen uns hier nicht von einer Infrastruktur abhängig machen, die von amerikanischen Tech-Firmen kontrolliert wird“, warnt er. Daher sei es notwendig, den Druck auf Apple zu erhöhen, damit diese die Umsetzung von App-Lösungen auf technischer Ebene ermöglichen.

Bundeskanzleramt in Gesprächen mit Apple

Derzeit funktionieren Corona-Warn-Apps auf iPhones nur eingeschränkt. Für Schipanski ist dies ein nicht hinnehmbarer Zustand. "Hier sehe ich eine wichtige politische Hausaufgabe, die wir lösen müssen", sagt er. Aus Bundestagskreisen heißt es, dass das Kanzleramt derzeit auf höchster Ebene Verhandlungen mit Apple führt, um möglichst schnell eine technische Kompatibilität mit dem Pepp-PT-Standard zu erreichen.

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Unterstützung erhält die Bundesregierung dabei von der EU-Kommission und von Frankreich. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton telefonierte gestern mit Apple-CEO Tim Cook. Er bestehe auf „der Verantwortung von Unternehmen wie Apple, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um geeignete technische Lösungen zu entwickeln, damit die nationalen Apps funktionieren“, teilte Breton anschließend mit. Auch der französische Digitalminister Cédric O kündigte gestern an, bei Apple zu intervenieren, um zügig alle technischen Probleme beim Einsatz von Bluetooth-Technik aufzuheben.

Das französische Computerforschungs-Institut Inria setzt wie das deutsche Gesundheitsministerium auf eine Lösung mit zentraler Server-Architektur. Die US-Konzerne Google und Apple hatten Ostern dagegen eine Schnittstelle für einen Standard angekündigt, bei dem Daten dezentral auf den Mobiltelefonen der Nutzer verbleiben.

Corona-Tracking-App in Österreich wird „ent-zentralisiert“

In Österreich wurde dagegen gestern die dort bereits im Einsatz befindliche Corona-Tracking-App des Roten Kreuzes ein Stück weit „ent-zentralisiert“. Der Entwickler der App, Accenture, hatte drei unabhängige NGOs um eine technische und juristische Evaluation des Quellcodes gebeten.  

Michael Zettel, Geschäftsführer von Accenture Österreich, erklärte gegenüber dem Tagesspiegel Background: „Es wurden 23 von 25 Empfehlungen übernommen, bei zwei Empfehlungen wird zusammen mit den Forschern derzeit noch eine Lösung gesucht, wie diese Punkte unter Berücksichtigung der fachlichen und technischen Anforderungen gut umgesetzt werden können.“ Außerdem solle der Quellcode der Roten-Kreuz-App noch im April für alle veröffentlicht werden. Geplant ist außerdem, dass die App bald auf den DP3T-Standard wechsle, berichtet der „Standard“. Dieser sieht eine dezentrale Speicherung der Daten vor. Ein Datum für den Wechsel gibt es noch nicht.

Europäische Datenschützer veröffentlichen neue App-Leitlinien

Bereits am Dienstag hatte der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) neue Leitlinien zum Datenschutz im Rahmen der Coronakrise veröffentlicht. Das Gremium nahm dabei explizit Bezug auf laufende Tracking- oder Tracing-Projekte. Bei der Nutzung von Standortdaten durch Plattformbetreiber wie Google, Apple oder Facebook reicht dabei nach der Rechtsauffassung des EDSA kein Opt-out-Verfahren, um die Weiterverarbeitung zu Analysezwecken möglich zu machen.

Solche Daten „können nur mit der zusätzlichen Einwilligung der betroffenen Person weiterverarbeitet werden oder auf Basis eines Gesetzes der EU oder der Mitgliedsstaaten, das eine Notwendigkeit und eine Verhältnismäßigkeit für den Schutz von Personen in einer demokratischen Gesellschaft laut Artikel 23 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) feststellt“, heißt es in dem Text.

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Auch für Tracing-Apps macht der EDSA Vorgaben. Ein solches Projekt sei ein „schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre“ der Bürger. Nur eine „freiwillige Annahme“ jedes einzelnen Datennutzungszwecks durch die Bürger rechtfertige dies. Ferner müssten jene, die entweder eine solche Technologie nicht nutzen können oder nicht nutzen wollen, keine Nachteile daraus befürchten dürfen. Um Verantwortlichkeiten sicherzustellen, müssten die Betreiber der Apps klar benannt werden. Der EDSA schlägt vor, dass diese Rolle von den nationalen Gesundheitsministerien eingenommen werden könnte, macht hier aber keine strikten Vorgaben.

Ferner macht das Gremium deutlich, dass die Nutzung der Daten auf die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie begrenzt bleiben muss. „Die gegenwärtige Gesundheitskrise sollte nicht als Gelegenheit genutzt werden, um unverhältnismäßige Mandate zur Datenspeicherung zu etablieren“, heißt es in den Leitlinien.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, sah sich am Mittwoch in seiner bisherigen Linie bestätigt. „Ich begrüße vor allem das Bekenntnis zur Freiwilligkeit. Sowohl in der Forschung als auch bei der Nachverfolgung von Kontakten können nur solche Lösungen erfolgreich sein, die transparent sind und ohne Zwang funktionieren“, so Kelber in einer Pressemitteilung. „Es muss eindeutig und leicht verständlich sein, zu welchem Zweck die Daten erhoben und wann sie wieder gelöscht werden. Ein individuelles Tracking oder eine spätere Re-Personalisierung müssen ausgeschlossen sein.“

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