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Vor dem Weißen Haus in Washington demonstriert ein Mann für die traditionelle Mann-Frau-Ehe.

© Malte Lehming

Countdown zur US-Wahl: Noch 23 Tage: Wenn zwei sich lieben - oder drei?

Vor acht Jahren noch war eine große Mehrheit der Amerikaner gegen die Homo-Ehe. Seit 1998 gab es 34 Volksabstimmungen darüber. 33 davon gewannen die Traditionalisten. Doch die Stimmung hat sich radikal gewandelt.

Fußball, also soccer, ist ein eher femininer Sport – jedenfalls sehen das einige Anhänger des American Football so. Denn bei ihnen kracht und wummert es richtig. Dass in Europa ausgerechnet Fußballstadien, womöglich mit David Beckham, Jürgen Klinsmann oder Mario Gomez auf dem Feld, als letzte Reservate echter Männlichkeit bezeichnet werden, ringt Football-Fans allenfalls ein müdes Lächeln ab. Im Vergleich etwa zu Adrian Peterson von den Minnesota Vikings ist selbst ein Mario Balotelli noch ein Weichei.

In Petersons Mannschaft, den Minnesota Vikings, spielt auch Chris Kluwe. Der war vor gut einem Monat zu Gast bei NPR, dem „National Public Radio“. Ebenfalls in die Sendung eingeladen war Brendon Ayanbadejo von den Balitimore Ravens (aus Maryland). Kluwe ist weiß, Ayanbadejo schwarz, beide sind aktive NFL-Profis, beide hetero – und beide für die Legalisierung der Homo-Ehe.

„Unser Sport gilt als Macho-Sport“, sagt Ayanbadejo, der sich schon seit vier Jahren für die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe einsetzt. Das brachte ihm vor kurzem Ärger ein. Ein republikanischer Abgeordneter aus Maryland, der gegen die Homo-Ehe ist, schrieb einen Beschwerdebrief an den Besitzer der Ravens, Steve Bisciotti, und forderte diesen auf, entsprechende Äußerungen seinem Spieler zu untersagen. Das wiederum ließ Kluwe nicht schlafen. Demonstrativ stellte er sich auf Ayanbadejos Seite und veröffentlichte eine Antwort an den Abgeordneten. „Ihr Hass und Ihre Bigotterie erschüttern mich, und es widert mich an, dass Sie in irgendeiner Weise auf irgendeiner Ebene für Politik in unserem Land verantwortlich sind.“

Malte Lehming berichtet in seinem Countdown zur Wahl aus den USA
Malte Lehming berichtet in seinem Countdown zur Wahl aus den USA

© Tsp

Maryland (Ravens) und Minnesota (Vikings) sind zwei der vier Bundesstaaten, in denen am 6. November auch über die Homo-Ehe abgestimmt wird. Die anderen sind Washington und Maine. Wie in der Bundesliga gab es auch in der NFL noch nie aktive Spieler, die sich öffentlich als homosexuell outeten. Um so beeindruckender ist das Engagement von Ayanbadejo und Kluwe. Beide stellen ihr Anliegen ausdrücklich in die Tradition der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

„Es war auch hart für Jackie Robinson, der erste schwarze Baseballspieler zu sein“, sagt Kluwe, „und es war hart für Kenny Washington, der erste schwarze Football-Spieler zu sein.“ – „Es geht um Gleichheit“, ergänzt Ayanbadejo. „Es gab eine Zeit, als Frauen keine Rechte hatten. Es gab eine Zeit, als Schwarze keine Rechte hatten. Und jetzt sind es eben Schwule und Lesben, die um ihre Rechte kämpfen.“ Offene Anfeindungen haben beide bislang nicht erlebt. „Wir sind Profis“, sagt Ayanbadejo. „Wir werden immer nur daran gemessen, wie gut wir auf dem Platz sind.“

Vor acht Jahren noch war eine große Mehrheit der Amerikaner gegen die Homo-Ehe. Einige Beobachter glauben, dass George W. Bush seine Wiederwahl 2004 vor allem der Mobilisierung jener christlich-fundamentalistischen Kräfte verdankte, die die traditionelle Mann-Frau-Ehe retten wollen. Seit 1998 gab es 34 Volksabstimmungen darüber. 33 davon gewannen die Traditionalisten (die einzige Ausnahme in Arizona 2006 wurde zwei Jahr später durch ein zweites Referendum rückgängig gemacht). In sechs Bundesstaaten wurde die Homo-Ehe durch parlamentarische Entscheidung legalisiert.

Countdown zur Wahl: Malte Lehming berichtet.
Countdown zur Wahl: Malte Lehming berichtet.

© Tsp

Doch die Stimmung hat sich radikal gewandelt. Barack Obama sprach sich als erster US-Präsident für die Homo-Ehe aus. Und in Maine, Maryland und Washington ist eine Mehrheit heute für deren Legalisierung (in Minnesota steht’s unentschieden). Quer durch alle Schichten und Religionen nimmt die Akzeptanz zu. Die Traditionalisten sterben langsam aus. Zwei Drittel der Erwachsenen, die nach 1981 geboren wurden, unterstützen inzwischen die Homo-Ehe.

Den Trend allerdings wollen sich, wie die „Washington Post“ berichtet, demnächst auch einige muslimische, libertäre und sektenähnliche Gruppen zu nutze machen. Denn: Wenn eine Gesellschaft mit Normen brechen und jeder jeden lieben kann, warum werden dann nicht auch polygame Verbindungen legalisiert? Laut John Witte, einem Religions- und Rechtswissenschaftler von der Emory University in Atlanta, dürfte das Thema Polygamie als nächstes auf die Agenda kommen. Fußt nicht jeder Einwand dagegen ebenfalls nur auf Traditionen?

Witte verneint das. Nicht wen man liebe, sei für die Definition einer Ehe entscheidend, sondern wie viele, sagt er. Nur in der Zahl zwei drücke sich Gleichheit und Verantwortung aus. Ab drei sei die Ehe keine Ehe mehr, sondern ein Verbund.

Mag sein, dass er damit Recht behält. Die Debatte dürfte trotzdem spannend werden.

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