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Barack Obama und die 79 Jahre alte Richterin Ruth Ginsburg.

© dpa

Countdown zur US-Wahl: Noch 28 Tage: Wer ersetzt Ruth Ginsburg?

Die Mitglieder des Obersten Gerichts ernennt in den USA der Präsident. Das verleiht der Wahl eine zusätzliche Bedeutung. Denn sie amtieren auf Lebenszeit und beeinflussen mit ihren Urteilen maßgeblich die amerikanische Gesellschaft.

Sie ist 79 Jahre alt, hat zwei Krebserkrankungen überstanden, kämpft für Frauen- und Bürgerrechte. Doch trotz ihrer schweren Erkrankungen hat Ruth Bader Ginsburg nur selten einen Verhandlungstag verpasst. Sie gilt als willensstark und zäh. Bill Clinton hatte sie einst ans oberste amerikanische Gericht, den Supreme Court, berufen.

Dennoch ist es nicht unwahrscheinlich, dass der nächste US-Präsident, also entweder Barack Obama oder Mitt Romney, Ruth Ginsburg wird ersetzen müssen. Oder den mit 72 Jahren zweitältesten Richter Stephen Breyer. Das verleiht der Wahl am 6. November eine zusätzliche Bedeutung. Die Mitglieder des Obersten Gerichts ernennt der Präsident. Sie amtieren auf Lebenszeit und beeinflussen mit ihren Urteilen maßgeblich die amerikanische Gesellschaft.

In dieser Woche begann für das Bundesverfassungsgericht die neue Saison. Zum ersten Mal seit ihrem Urteil über Barack Obamas Gesundheitsreform kommen die neun Richter nun wieder regelmäßig zusammen. Entscheidungen von hoher Relevanz stehen an. Parteienfinanzierung, Homo-Ehe, Quotensystem. Die politischen Kräfteverhältnisse sind derzeit ausgeglichen. Vier linke Richter ringen mit vier rechten Richtern um die Gunst von Anthony M. Kennedy, der sich mal so, mal so entscheidet (beim Votum über die Gesundheitsreform gab freilich ein anderer, Oberrichter John G. Roberts, den Ausschlag).

Spannend wird es bereits an diesem Mittwoch, wenn der Fall „Fisher vs. University of Texas“ verhandelt wird. Die weiße Studentin Abigail Noel Fisher war vor vier Jahren die Zulassung zum Studium an der University of Texas in Austin verwehrt worden. Daraufhin klagte sie wegen Diskriminierung.

Denn aus bildungspolitischen Integrationsgründen bevorzugt die Universität bei einem Teil ihrer Studienplätze Angehörige ethnischer Minderheiten. Das als „affirmative action“ bekannte Quotensystem war vor neun Jahren vom Verfassungsgericht zwar im Grundsatz genehmigt worden – so lange die Rasse eines Bewerbers bei dessen Zulassung nicht der ausschlaggebende Faktor ist. Doch seitdem werden die Zweifel am Quotensystem eher lauter statt leiser.

Malte Lehming berichtet in seinem Countdown zur Wahl aus den USA
Malte Lehming berichtet in seinem Countdown zur Wahl aus den USA

© Tsp

Sieben US-Bundesstaaten haben die Bevorzugung von ethnischen Minderheiten an staatlichen Bildungseinrichtungen bereits beendet (Arizona, Florida, Kalifornien, Michigan, Nebraska, New Hampshire, Washington). Außerdem sind seit dem letzten Verfassungsgerichtsurteil im Jahre 2003 mit Samuel A. Alito und John G. Roberts zwei von George W. Bush ernannte Quotenkritiker ins Oberste Gericht eingezogen. Das ergibt eine neue Mehrheit gegen die Quote.

Ob Obama oder Romney: Der nächste Präsident könnte die Macht haben, die Kräfteverhältnisse am „supreme court“ auf viele Jahre zu seinen Gunsten neu zu regeln. Sollte Ginsburg dann nicht schleunigst zurücktreten, um noch von Obama ersetzt werden zu können? Diese Forderung wurde von Demokraten immer wieder erhoben. Sicher ist sicher. Doch inzwischen dürfte es dafür zu spät sein. Die Republikaner haben die Möglichkeit, das Nominierungsverfahren über die erste Amtszeit Obamas hinaus in die Länge zu ziehen.

Abgesehen davon aber weisen die Verfassungsrichter politische Motive als Rücktrittsgründe stets entschieden von sich. In ihrem Selbstverständnis sind sie weder links noch rechts, sondern allein der Verfassung verpflichtet. Allein der Verdacht, sie würden aus taktischen Gründen auf ihr Amt verzichten, würde dieses schwer beschädigen.

Countdown zur Wahl: Malte Lehming berichtet.
Countdown zur Wahl: Malte Lehming berichtet.

© Tsp

Für das Magazin „Forbes“ zählte Ruth Ginsburg im Jahre 2009 zu den hundert mächtigsten Frauen der Welt. Zehn Jahre zuvor war bei ihr Darmkrebs diagnostiziert worden. Sie wurde operiert, erhielt Chemotherapie und Strahlenbehandlung. Doch an jedem Verhandlungstag des Gerichts war sie anwesend. Im Februar 2009 entdeckte man bei ihr einen Bauchspeicheldrüsenkrebstumor. Wieder wurde sie operiert. Vier Tage nach der Entlassung aus dem Krankenhaus saß sie erneut bei einer Anhörung im Gericht.

Im Januar dieses Jahres schließlich, in der Blütephase des „Arabischen Frühlings“, hielt es Ruth Ginsburg zu Hause nicht mehr aus. Vier Tage lang reiste sie nach Kairo, um einerseits „zuzuhören und zu lernen“, wie sie sagte, und andererseits den Ägyptern beim Übergang von der Diktatur in die Demokratie beratend zu helfen.

Auch dort wünschte man ihr noch ein langes, gesundes Leben.

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