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© dpa

CSU: Der doppelte Horst

CSU-Parteichef Seehofer kämpft gegen sein Krawallmacher-Image – viele Punkte macht das nicht im Saal. Er wird zwar wiedergewählt, aber mit einem mageren Ergebnis.

Wer auf die Idee gekommen ist, den Redner auf der Bühne aus zwei Richtungen anzuleuchten, hat sich entweder gar nichts dabei gedacht oder sehr viel sehr Hintersinniges. Vorne am Pult in der Nürnberger Messehalle steht Horst Seehofer. Mal legt er die Hand treuherzig auf die Brust, mal breitet er die Arme aus, mal beschwört er den CSU-Parteitag mit gefalteten Händen. Hinter ihm aber, an der Wand, tun zwei Schatten es ihm immer nach.

Dabei haben die Delegierten den doppelten Horst am Abend davor schon einmal erlebt. Der Parteiabend ist traditionell ein Ereignis mit sehr kurzen Reden, lauter Musik und viel Bier. Aber Seehofer hat gerade erst seinen 60. Geburtstag gefeiert, da waren ein paar Einlagen fällig. Und so erscheint auf der Bühne ein sehr hochgewachsener Mann in grauem Anzug und mit graumeliertem Schopf und hebt zu reden an, und wer nicht genau sieht, dass der echte Seehofer unten am Vorstandstisch sitzt, der könnte glatt drauf reinfallen. Wolfgang Krebs hat über viele Jahre Edmund Stoiber karikiert. Den Seehofer kann der Schauspieler noch besser. Und böser, übrigens. „Ich weiß, ich hab schon etliche Versprechen gegeben, aber ich kann immer wieder neue machen“, räsoniert Horst II, lacht lauthals „Haa-Haa-Haa“ und winkt ins Publikum: „War nur Spaß, nur Spaß!“

Was den Spaß angeht, hält sich der in zwei Tagen in Nürnberg sonst in überschaubaren Grenzen. Geschäftsmäßig wickeln die CSU-Delegierten das Programm ab, geschäftsmäßig hören sie sich die Reden an. Nur einmal, als Theo Waigel zum Ehrenvorsitzenden bestimmt wird – eine späte Genugtuung –, bricht kurzer Jubel aus. Waigel nimmt die Ernennungsurkunde von Seehofer entgegen. In seiner sehr kurzen Dankesrede erteilt er dem Nachfolger einen Tadel. „Nation statt Nationalismus, Europa statt Provinzialität, das sind die großen Linien“, sagt Waigel.

Der Streit mit der CDU um die Europapolitik wird auch in Seehofers Rede noch eine größere Rolle spielen. Aber vorher legt der Parteivorsitzende und Ministerpräsident einen Rechenschaftsbericht Monate nach dem Landtagswahldesaster ab. Die Rede kreist um zwei zentrale Botschaften. Die eine lautet: Ich bin gar nicht so. „Ihr kennt ja alle diese Urteile“, sagt Seehofer, „Krawall und so weiter.“ Dabei mache er, was er mache, doch nicht aus Bösartigkeit. „Mir ist nicht so wichtig, dass ich im Ranking immer gleich ganz vorne stehe“, versichert er, sondern dass er sich „für unsere Familie CSU“ einsetze.

Botschaft Nummer zwei folgt der Formel: „Eingesetzt und durchgesetzt“. Er verspreche nicht nur, er setze auch durch. Zum Beispiel Steuersenkung im Unionswahlprogramm: „Ohne uns hätt’s das nicht gegeben!“ Und, ja, auch das, mehr Europa-Mitsprache für Bundestag und Bundesrat. Sehr ausführlich zitiert Seehofer alte Parteibeschlüsse, aus denen hervorgeht, dass die CSU immer schon dafür war, dass die Bundesregierung Stellungnahmen ihres Parlaments in Europafragen „beachten“ müsse.

Von mehr als „beachten“, von Verbindlichkeit ist in diesen alten Beschlüssen allerdings nicht die Rede. Seehofer wollte mehr. Was er da vorne vorträgt, ist in Wahrheit das stillschweigende Eingeständnis, dass er sich eben nicht durchgesetzt hat, nicht mal in der eigenen Partei.

„Glaubt mir“, sagt Seehofer, als er zum Ende kommt. „Mir geht’s um den Erfolg.“ Der Parteitag applaudiert. Dann wird gewählt. Seehofer bekommt 710 von 806 gültigen Stimmen. 82 Delegierte stimmen mit Nein, 14 für „sonstige“, wer immer das sein mag. Das ist mager. Im Oktober hatte er 90 Prozent bekommen, diesmal, hat ein enthusiastischer Anhänger vorher gemutmaßt, so kurz vor einer wichtigen Wahl, werde er 95 kriegen, mindestens. Es sind aber nur 88. Eine Andeutung von Applaus, dann weiter in der Tagesordnung. Geschäftsmäßig.

 Robert Birnbaum[Nürnberg]

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