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Politik: Da ist was zu erben

Von Hans Monath

Wenn Außenminister Joschka Fischer am heutigen Montag zu Gesprächen nach Washington fliegt, dürfte er in der amerikanischen Hauptstadt auf Partner treffen, die sich über eine Ablösung seiner rotgrünen Regierung in Berlin aufrichtig freuen. Zwar hat der Außenminister, anders als der Kanzler, auch zu Zeiten des größten Zerwürfnisses in der Irak-Debatte mit den Amerikanern immer vertrauensvollen Kontakt gesucht. Doch die Bush-Regierung setzt darauf, dass die Erneuerung des engen transatlantischen Verhältnisses auf der Agenda einer CDU-Regierung ganz oben stehen würde.

Im Falle eines Wahlsiegs dürfte es für Angela Merkel und ihren Außenminister aus FDP oder CSU jedoch nicht ganz leicht werden, die deutsche Außenpolitik wieder in ihre alte Mittlerrolle zwischen Washington und Paris zurückzuführen. Den angeblichen rot-grünen Versuch, im Verein mit Paris eine Gegenmacht zu den USA zu bilden, hat die Opposition zwar immer wieder als gefährliche Strategie gebrandmarkt, zumal sie diese „Achse“ erweitert sah durch wenig demokratische Partner wie Russland und China. Doch den engen Draht zum EU- Schwergewicht Frankreich braucht jede Bundesregierung nach dem 18. September, um mit Mut und Fantasie nach dem Desaster der Verfassungsreferenden einen Ausweg zu finden. Die milde Reaktion der Union auf Schröders Zehn-Milliarden-Angebot an die EU, das ja schließlich auch den Schuldenstand einer neuen Regierung erhöhen würde, ist ein Indiz, dass die Union noch kein anderes, eigenes Rezept zur Überwindung der Krise gefunden hat. Nur der Türkei die Tür vor der Nase zuzuschlagen, wird nicht reichen, um den Bürgern wieder Vertrauen in Europa zu geben.

Auch wer wie der CDU-Außenpolitiker Wolfgang Schäuble laut über einen neuen EU-Verfassungsvertrag nachdenkt, darf die Franzosen nicht vor den Kopf stoßen. Auch dann nicht, wenn die stärkere Einbindung der kleineren EU- Partner und der Amerika-treuen neuen EU-Mitglieder aus dem Osten zur erklärten Absicht der Kandidatin gehört, die aus den neuen Ländern und damit aus „New Europe“ stammt.

Ein radikales Umsteuern ist deshalb nicht zu erwarten. Schließlich hätte auch eine neue Regierung Differenzen mit der US-Seite: Die Union lehnt die EU-Vollmitgliedschaft der Türkei ab, während die USA – übrigens aus ähnlichen strategischen Gründen wie Joschka Fischer – auf eine Aufnahme des islamisch-laizistischen Landes drängen. Die Krise Europas aber macht es wahrscheinlicher, dass sich die Unions-Position durchsetzen wird, denn nur eine handlungsfähige EU könnte die Türkei integrieren.

Vom lauten Wehklagen über angebliche diplomatische Scherbenhaufen sollte sich niemand täuschen lassen: Das Erbe rot-grüner Außenpolitik wollen die potenziellen Nachfolger nicht ausschlagen. Für die Union wurde der anfangs bekämpfte ständige deutsche Sitz im UN-Sicherheitsrat um so attraktiver, je näher er rückte. Die Chance darauf zeigt jedenfalls, dass die Welt heute mehr, vielleicht auch größere Erwartungen an Berlin richtet als vor sieben Jahren. Es wäre deshalb eine lohnende Aufgabe deutscher Außenpolitik, die Rolle als Förderer der Vereinten Nationen und als Streiter für das Völkerrecht nicht in offener Gegnerschaft zu Washington, sondern notfalls im partnerschaftlichen Streit mit der US-Seite auszufüllen. Den Mut zu dieser Kontroverse müsste Angela Merkel, einmal im Amt, freilich erst noch beweisen.

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