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Politik: „Dafür bezahlen alle gern“

Ministerin Künast will Prämien für Bauern, die zum Schutz vor Hochwasser flussnahe Äcker in Weiden umwandeln

Am Sonntag findet in Berlin eine nationale Flusskonferenz statt. Warum ist an dieser Konferenz auch das Landwirtschaftsministerium beteiligt?

Schon allein deshalb, weil der Deichbau überwiegend aus dem Etat des Landwirtschaftsministeriums bezahlt wird. Mit Mitteln aus der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) finanzieren der Bund mit 60 und die Länder mit 40 Prozent den Deichbau und auch die Versetzung von Deichen, um Flüssen mehr Platz zu geben, oder den naturnahen Ausbau von Gewässern, der ja eher ein Rückbau ist. Aber die Landwirtschaft hat noch viel mehr mit dem Thema Hochwasserschutz zu tun.

Wie das?

Land- und Forstwirtschaft können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass der Boden mehr Wasser aufnehmen kann. Die Art und Weise wie Land- oder Forstwirtschaft betrieben werden, entscheidet mit darüber, ob das Wasser ganz schnell in die Bäche und Flüsse geleitet wird, oder ob es ins Grundwasser versickern kann.

Wie kann die Landwirtschaft das Wasser bremsen?

Wie viel Wasser ein Boden aufnehmen kann, hängt von seiner Bearbeitung ab. Wenn er wiederholt mit schweren Maschinen befahren wird, verdichtet er sich und das Wasser fließt schneller ab. Wird Ackerbau aber ökologischer betrieben und mit modernen Maschinen mit breiten Reifen, lässt sich dieser Effekt vermindern. Der Boden hat dann viele Kapillarröhrchen, durch die das Wasser einsickern kann. Wird Mais mit kurzen Wurzeln angebaut, ist das unter dem Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes schlechter als Pflanzen mit tiefen Wurzeln, die den Boden besser halten und mehr Wasser binden können. Dann sind wir auch schon mitten in der Agrarwende. Denn für Mais werden in der EU hohe Prämien bezahlt, für Grünland bekommen die Bauern überhaupt nichts. Mit Blick auf das Hochwasser an Donau und Elbe ist das Wahnsinn.

Wie wollen Sie das ändern?

Wir wollen den ökologischen Landbau fördern, der ganz anders mit dem Boden umgeht. Deshalb freut es mich, dass Brüssel jetzt auch ein Förderprogramm für den ökologischen Landbau auflegen will. Außerdem wollen wir die Kriterien für die so genannte gute fachliche Praxis, das ist sozusagen die Din-Norm für die Landwirtschaft, weiterentwickeln. Und wir wollen mehr Agrar-Umweltprogramme finanzieren, beispielsweise erreichen, dass flussnahe Gebiete nur noch extensiv bewirtschaftet werden.

Warum sollten sich die Bauern auf solche Einschränkungen einlassen?

Wenn sie ihnen bezahlt werden… Wer statt eine flussnahe Fläche in Ackerland umzubrechen diese als Weidefläche nutzt, muss einen Ausgleich dafür bekommen. Das ist eine gesellschaftlich gute Prämie. Dafür bezahlen alle gern. Denn dann haben wir auch eine weitere Überschwemmungsfläche, um Dörfer oder Städte zu schützen. Außerdem gehört zu den Agrar-Umweltprogrammen der Anbau nachwachsender Rohstoffe, oder die Verwertung organischer Abfälle beispielsweise zur Energieerzeugung. Das sind für die Landwirte auch neue Einkommensquellen.

Glauben Sie, dass aus dieser Hochwasserkatastrophe wirklich Konsequenzen gezogen werden? Nach dem Oderhochwasser vor fünf Jahren kam nicht eine neue Überschwemmungsfläche dazu.

Ich glaube, dass jetzt der Zeitpunkt ist, sich mit den Landinhabern auseinander zu setzen. In der Agrarministerkonferenz in der vergangenen Woche gab es Einigkeit bei allen Ländern, dass wir viel zu viele Flächen versiegeln. Außerdem soll Grünland in den Auenbereichen der Flüsse nicht mehr zu Ackerland umbrochen werden. Für eine Agrarministerkonferenz ist das eine kleine Revolution.

Was heißt das alles für die Binnenschifffahrt?

Da muss alles auf den Prüfstand.

Obwohl die Binnenschifffahrt das Klima schützt?

Grüne wollen mehr Transporte auf Schiene und Flüsse verlegen. Ein Widerspruch, den wir nicht auf Kosten der Natur lösen wollen, zumal wir an den Flüssen entlang immer auch die Artenvielfalt fördern wollten. Da gibt es Zielkonflikte. Wir brauchen für jeden Fluss ein eigenes und länderübergreifendes Konzept.

Das Interview führte Dagmar Dehmer.

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