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Politik: Dalai Lama nennt China Terrorherrschaft

Oberhaupt der Tibeter sieht „demografische Aggression“ / EU äußert sich nicht zu Olympia-Boykott

Der Dalai Lama hat Chinas Siedlungspolitik in Tibet als „demografische Aggression“ und eine Art „kultureller Völkermord“ bezeichnet. Wegen der schlechten Menschenrechtslage könnte ganz China destabilisiert werden, warnte das geistliche Oberhaupt der Tibeter am Samstag in seinem indischen Exil: „China sieht stabil aus, unter der Oberfläche gibt es aber sehr viel Verbitterung“, sagte der Dalai Lama. China sei fast ein Polizeistaat mit einer „Herrschaft des Terrors“.

Die Europäische Union hat die chinesische Führung am Samstag zu einem „substanziellen und konstruktiven Dialog“ mit dem Dalai Lama, aufgerufen. Bei ihrem Treffen in dem slowenischen Ort Brdo äußerten sich die Außenminister der 27 EU-Staaten nicht zu einem Boykott der Olympischen Sommerspiele in Peking. Die EU-Außenminister gaben keine Empfehlung zu einem möglichen Fernbleiben von Regierungsvertretern von der Olympia-Eröffnungsfeier. „Die Fragen Olympia und Boykott haben in der Diskussion keine Rolle gespielt“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Sloweniens Außenminister Dimitrij Rupel, sagte: „Wir trennen die Fragen von Menschenrechten und Demokratie von Ereignissen wie beispielsweise den Olympischen Spielen.“

Der Dalai Lama hat die internationale Gemeinschaft um Hilfe bei der Bewältigung der Krise in Tibet gebeten. „Wir haben keine Macht außer der Gerechtigkeit, Wahrheit, Aufrichtigkeit. Deshalb rufe ich die Weltgemeinschaft auf zu helfen“, sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter. „Ich bin hier machtlos, ich bete nur,“ sagte er auf einer internationalen Pressekonferenz und erklärte, Tibeter seien in den Großstädten ihrer autonomen Region inzwischen in der Minderheit. In der Hauptstadt Lhasa lebten derzeit rund 100 000 Tibeter, aber doppelt so viele Chinesen. „Es gibt Beweise, dass Monat für Monat mehr Chinesen nach Tibet kommen“, sagte er.

Der buddhistische Geistliche sprach von Plänen, nach den Olympischen Spielen etwa eine Million weitere Chinesen in Tibet anzusiedeln. Es ist bekannt, dass China schon seit Jahrzehnten die Ansiedlung von Han-Chinesen, also der Mehrheitsethnie, als politische Strategie in Tibet benutzt. Die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Barbara Lochbihler, forderte eine Untersuchung der Vereinten Nationen in Tibet.

Die Abgeordneten des tibetischen Exilparlaments im nordindischen Dharamsala sind am Samstag in einen eintägigen symbolischen Hungerstreik getreten und haben die Gründung eines „Krisen-Komitees für Tibet“ zur Koordinierung der weltweiten Proteste angekündigt.

Unterdessen kam es zu neuen Unruhen. Chinesische Sicherheitskräfte haben Berichten zufolge nach erneuten Protesten Teile von Tibets Hauptstadt Lhasa abgeriegelt. Die Exil-Regierung Tibets erklärte am Samstag, man gehe entsprechenden Informationen nach. Es scheine sich um größere Proteste zu handeln, sagt ein Sprecher des Dalai Lama. Sie stünden wohl im Zusammenhang mit dem Aufenthalt einer Gruppe ausländischer Diplomaten in Lhasa. Die in London ansässige Organisation International Campaign for Tibet erklärte, man habe aus drei Quellen erfahren, dass die Sicherheitskräfte die wichtigsten Tempel Jokhang und Ramoche umrundet hätten. Das gesamte Gebiet sei abgesperrt worden, sagte eine Sprecherin der Organisation. Der Vertreter einer westlichen Botschaft erklärte, China habe Diplomaten aus zwölf Ländern angeboten, sie auf einer streng überwachten Tour durch Lhasa zu führen. Zwei Länder hätten das Angebot ausgeschlagen. Als vor einigen Tagen eine handvoll ausgesuchter Journalisten durch Teile der tibetischen Hauptstadt geführt wurde, gelang es 30 Mönchen, zu den Journalisten vorzudringen und gegen die chinesische Führung zu protestieren.AP/rtr/AFP

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