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Daniel Günther (CDU) ist seit Juni 2017 Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein.

© Mike Wolff

Daniel Günther im Tagesspiegel-Interview: "Das Verhältnis zur FDP ist belastet"

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sieht neue Chancen für die CDU und kritisiert den Wirtschaftsflügel seiner Partei.

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Herr Ministerpräsident, die Koalitionsgespräche mit der SPD verliefen zwar zügig, aber es war ein mühsamer Prozess. War es ein Fehler, nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche im November nicht schnurstracks in eine Minderheitsregierung mit den Grünen zu gehen?
Deutschland braucht eine Regierung mit einer verlässlichen parlamentarischen Mehrheit. Es ist Planbarkeit nötig, auch mit Blick auf Europa. Die nötige Verlässlichkeit wäre in einer Minderheitsregierung nicht dauerhaft gegeben. Sich vor jeder Parlamentsabstimmung immer wieder neu orientieren zu müssen, um doch irgendwie zu einer Mehrheit zu kommen, und das ohne Vertragsgrundlage, das stelle ich mir sehr schwierig vor.

Sie loben die gute Aufstellung Ihrer Partei in der Neuauflage der großen Koalition. Doch gab es zunächst viel Gemeckere über Ressortzuschnitt und auch Inhalte des Koalitionsvertrags. Dann kam der Parteitag, und das Gemeckere verstummte. Was ist denn da abgelaufen?
Angela Merkel hat sehr kluge Personalentscheidungen getroffen. Die neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, eine überraschende Personalie, wurde in der Partei mit großer Begeisterung aufgenommen. Es ist eine sehr intelligente Entscheidung, weil Annegret Kramp-Karrenbauer alle Teile der Partei anspricht und repräsentieren kann. Die für das neue Kabinett nominierten Minister decken die Erwartungen in der CDU sehr gut ab. Die Hälfte der Posten geht an Frauen. Und die Einbindung von Jens Spahn ist ein gutes Signal. Unser Anspruch an modernes Regieren gibt der neue Ressortzuschnitt wieder.

Na, das klang auf dem Wirtschaftsflügel der CDU aber ganz anders. Was dort zu hören war, lief eher auf Ausverkauf der Partei hinaus, vor allem wegen des Verzichts auf das Finanzministerium.
Die Töne haben mich auch gewundert. Der Verzicht zugunsten der SPD war sicherlich eine harte Entscheidung, aber es war keine Fehlentscheidung. Sie wird auch das künftige Bild der CDU nicht nachhaltig prägen. Dass wir jetzt nach sehr langer Zeit wieder den Wirtschaftsminister stellen, ist doch eine spannende Sache. Gerade für den Wirtschaftsflügel, der sich gelegentlich ja im Abseits wähnte. Nun können wir Wirtschaftskompetenz demonstrieren.

Man hatte bisweilen den Eindruck, dass dieser Flügel – ein bisschen vielleicht auch im Fahrwasser der FDP – sich eher als warnende Stimme profilieren wollte gegen zu viel Europa. Als Europaskeptiker sozusagen. Daher ja auch das Gemurre wegen des europapolitisch wichtigen Finanzressorts. Droht der CDU eine ähnliche Spaltung wie den britischen Konservativen?
Nein, diese Gefahr sehe ich nicht. In der CDU überwiegt eindeutig die positive Haltung zu Europa, auch wenn es natürlich Befürchtungen gibt, dass die Entwicklung in der EU in eine falsche Richtung gehen könnte, etwa bei der Vergemeinschaftung von Schulden. Was den Wirtschaftsflügel betrifft, würde ich mir wünschen, dass er sich wieder mehr auf die wirklich wirtschaftspolitischen Themen konzentriert und sich weniger über Thesen zu Europa oder mit Kritik an der Flüchtlingspolitik zu profilieren versucht. Wenn er Kraft entwickeln will, sollte er hier ansetzen. Was mich völlig irritiert hat, war das Verhalten des Wirtschaftsrats der CDU, der sich gegen die Bildung der großen Koalition aussprach.

Jens Spahn ist ja die Hoffnungsfigur dieses Flügels. Warum ist nicht er als Wirtschaftsminister nominiert worden?
Das wäre sicherlich auch keine schlechte Idee gewesen. Jens Spahn ist eine wichtige Figur, der vielen Konservativen und Wirtschaftsliberalen in der Partei eine Stimme gibt. Ich weiß von ihm, dass er es sehr gut findet, nun den Verantwortungsbereich Gesundheit bekommen zu können, in dem er sich ja gut auskennt.

Apropos FDP: Als Annegret Kramp-Karrenbauer sich auf dem Parteitag kritisch zu den Freien Demokraten äußerte, brandete viel Applaus auf. Ist das Verhältnis zur einst liebsten Partnerin kaputt?
Zumindest ist das Verhältnis zur FDP belastet. Die Enttäuschung in meiner Partei über das schnelle Ende der Jamaika-Verhandlungen ist schon groß. Es ist vielen erst in den Verhandlungen mit der SPD bewusst geworden, was da möglicherweise verpasst worden ist. Aus unserer Sicht ist das Scheitern deutlich mit der FDP verbunden. Es geht da auch um Begriffe wie Verlässlichkeit und Verantwortung.

Ist die Übernahme des Wirtschaftsressorts also auch eine Kampfansage an die FDP?
Jedenfalls ist es, wie gesagt, eine Chance für uns. Die FDP hat wohl nicht vorausgesehen, dass ihr das drohen könnte.

Sie verlangen, dass das Konservative in der CDU wieder stärker hervortreten sollte. An wen richtet sich diese Forderung?
An jene, die sich als Konservative in der CDU fühlen, die den Anspruch haben, den konservativen Flügel zu bilden. Die haben sich zuletzt in meiner Wahrnehmung etwas zu klein gemacht. Außerdem debattieren sie für meinen Geschmack zu vergangenheitsorientiert und nicht so, wie man es von modernen Konservativen erwarten würde, die sich ja zukunftsorientierter Politik nicht verweigern können.

Zum Beispiel?
Mir hat sich nie erschlossen, warum man ein Thema wie die gleichgeschlechtliche Ehe dem vermeintlich progressiven Flügel überlassen hat, anstatt sich klarzumachen, dass hier eine gesellschaftliche Gruppe ja offenbar bereit ist, sich für so etwas Traditionelles wie die Ehe zu entscheiden und auch ein traditionelles Familienbild zu übernehmen. Hier haben die Konservativen aber die Tür zugemacht. Eine weitere Aufgabe wäre, den Umbruch, den die Digitalisierung bringt, mit einem Wertefundament zu untersetzen, um diesen Prozess zu begleiten. Die Gesellschaft ist mit Entwurzelung konfrontiert, gerade in der Arbeitswelt, die Menschen suchen nach Halt. Da können Konservative Antworten geben. Das hat aber nichts mit einem Rechtsruck zu tun.

Glauben Sie, dass man mit politischer Philosophie gegen den Populismus ankommt? Und die Wähler erreicht, die zur AfD gelaufen sind?
Man muss deren Bedenken ernst nehmen. Zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik. Es beschwert Menschen, dass es Leute in unserem Land gibt, die offenkundig nicht hierhergehören, die wir aber nicht abgeschoben bekommen. Andererseits ist es leicht, Menschen abzuschieben, bei denen der gesunde Menschenverstand sagt, dass sie eigentlich hierbleiben müssten. Familien aus sicheren Herkunftsländern etwa, die schon einige Zeit hier sind, die integriert sind, die Deutsch sprechen, deren Kinder eine Ausbildung machen. Da reichen die Regeln und Instrumente, um sie abzuschieben, aber wenn man Kriminelle loswerden will, die in der U-Bahn andere zusammenschlagen, dann reichen sie nicht. Dafür fehlt vielen Bürgern das Verständnis. Wenn dieses Problem nicht gelöst wird, wenden sie sich endgültig ab.

Aber wo ist im Koalitionsvertrag mit der SPD die Lösung dafür?
Der Vertrag bietet in den Abschnitten zur inneren Sicherheit und zur Migrationspolitik durchaus Möglichkeiten. Etwa beim Plan, ein Zuwanderungsgesetz zu schaffen. Auf dem Weg könnte man jenen Menschen, die wir hier behalten wollen, die Möglichkeit zum Bleiben geben. Und wenn man beim Abschieben der anderen konsequenter vorgeht, würde man einen Teil der Spaltung in der Gesellschaft wieder beseitigen.

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