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Darfur-Krise: Flucht und Vertreibung in der Wüste

Das Töten geht weiter in Darfur. Reitermilizen terrorisieren die Region, die Lage der Menschen wird immer katastrophaler. Die sudanesische Regierung schaut offenbar nicht nur tatenlos zu, sondern unterstützt das Morden aktiv.

Boro Medina - Hawa Idriss sitzt im Schatten eines Mangobaumes und hält eines ihrer 16 Enkelkinder auf dem Schoß, das an einer unreifen Mangofrucht knabbert. Die 50-jährige Flüchtlingsfrau aus der sudanesischen Krisenregion Darfur ist vor wenigen Tagen erst in Boro Medina im Südsudan eingetroffen. "Ich habe auf dem Hirsefeld gearbeitet, als vier Dschandschawid-Reiter auf Kamelen kamen", erzählt Hawa und nestelt an ihrem leuchtend orange-farbenen Schleier. "Sie haben gerufen: "Wenn ihr noch länger in der Gegend bleibt, werden wir euch alle töten"." Dann hätten die uniformierten Männer ihre Söhne verprügelt, die mit ihr auf dem Feld waren.

"Wir hatten große Angst vor den Dschandschawid", sagt Hawa und fährt fort: "Ich habe einmal gesehen, wie sie ein junges Mädchen entführt haben. Als sie zurückkam, war sie sehr krank." "Sie haben viele Mädchen und Frauen genommen", sagt sie und blickt verschämt zu Boden. "Sie missbrauchen sie und lassen sie wieder laufen."

Mittellos flieht die Familie durch die Steppen

Es war Anfang Dezember, als Hawas Familie die Drohungen der Dschandschawid ernst nahm und das Dorf Elabo im Süden Darfurs verließ. In den Monaten zuvor hatten die Reitermilizen im Süden Darfurs Angst und Schrecken verbreitet. Im August griffen sie etwa 70 Dörfer in der Nähe des Ortes Buram an, setzten Hütten in Brand und töteten nach Augenzeugenberichten Hunderte von Menschen.

Die internationale Gemeinschaft wirft der sudanesischen Regierung vor, die Dschandschawid zu finanzieren und zu bewaffnen. In der vergangenen Woche beschuldigte der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ein Regierungsmitglied, für Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung in Darfur verantwortlich zu sein. Sudan weist alle Vorwürfe von sich.

"Wir werden euch alle verjagen"

Der 30 Jahre alte Jamal Zakaria floh während der Angriffe in die umliegenden Wälder. "Von dort bin ich immer wieder auf meine Felder gegangen." Eines Tages kamen die Dschandschawid. "Ihr Schwarzen macht nichts als Probleme. Dies wird der letzte Tag deines Lebens sein", habe einer ihm zugerufen. "Wir werden alle von euch von hier verjagen." Die Dschandschawid nahmen Jamal seine Uhr, sein Radio und seine Hirsesäcke weg und schlugen ihn mit einer Nilpferdpeitsche. "Ich habe Glück gehabt, dass ich ihnen entkommen bin", sagt Jamal.

Die Flucht durch Steppe und Wälder dauerte etwa acht Wochen. Viele Flüchtlinge konnten nur mitnehmen, was sie am Leib trugen. Einige waren bei den Angriffen verletzt worden. Sie ernährten sich von Wurzeln, Früchten und wildem Honig. Mehrere Frauen brachten unterwegs ihre Kinder zur Welt. Die ersten Gruppen trafen im vergangenen Oktober in Boro Medina ein. Inzwischen sind es mehr als 1000 Menschen, weitere Gruppen sind noch immer auf dem Weg.

Hilfslieferungen kommen nur schleppend an

"Die Bevölkerung hier hat uns freundlich aufgenommen", berichtet Arkorrah Mohammed, der zu den Erstankömmlingen gehörte. "Sie haben selber fast nichts zu essen, aber sie haben für uns Lebensmittel gesammelt und uns Werkzeuge geliehen, damit wir ein Lager einrichten konnten", sagt Mohammed. Die Flüchtlinge haben sich Hütten aus Ästen und Strohmatten gebaut. Nach und nach erreichen Hilfslieferungen das Lager in der schwer zugänglichen Region.

In der vergangenen Woche traf ein Lastwagen der Organisation Hoffnungszeichen ein, der von Nairobi aus drei Wochen unterwegs war. Die Flüchtlinge erhielten Bohnen, Mais, Speiseöl, Decken und Kochtöpfe. Niemand kann sich vorstellen, wieder in die Heimat zurückzukehren, so lange es die Dschandschawid noch gibt. "Ich möchte sicher nicht nach Darfur zurück, nach dem, was ich dort erlebt habe", sagt Mohammed, der bei einem Angriff durch einen Schuss in den Oberschenkel verletzt wurde. (Von Ulrike Koltermann, dpa)

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