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Politik: Das „alte Europa“ schimpft zurück

Die US-Regierung stuft Deutschland und Frankreich wegen Irak als Problemfälle ein – die werten das als ungehörig

Von Robert Birnbaum

Berlin. Der Streit über das Vorgehen gegen den Irak droht immer mehr zu einem Konflikt zwischen Europa und den USA zu werden. US-Verteidigungsminister Rumsfeld bezeichnete Deutschland und Frankreich als das „alte Europa“, das sich zum Problemfall entwickle. Dies löste in beiden Staaten parteiübergreifend Empörung aus. Die Bundesregierung forderte erneut, den Waffeninspekteuren im Irak mehr Zeit für ihre Arbeit zu geben. Auch China ließ erstmals Vorbehalte gegen einen Feldzug erkennen. Die USA erwägen daher nach US-Zeitungsberichten, sich im UN-Sicherheitsrat eine indirekte Legitimation für einen Krieg geben zu lassen.

Von Robert Birnbaum

Rumsfeld sagte, die große Mehrzahl der Staaten Europas sei mit den USA. Deutschland und Frankreich hingegen seien „Problemfälle“, die mit ihrer Haltung das „alte Europa“ repräsentierten. US-Außenminister Colin Powell spielte die Differenzen zwischen den westlichen Bündnispartnern herunter. Sollte es in der Irak-Frage auch nur „die geringste Unruhe“ geben, „werden wir diesen Punkt bei Treffen in den kommenden Tagen klären“, sagte er. Rumsfelds Äußerungen, die auch in seinem eigenen Ministerium auf Missfallen stießen, lösten scharfe Kritik aus. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister, Francis Mer, sagte, diese Worte hätten ihn „tief gekränkt“. Außenminister Joschka Fischer sagte: „Ich denke nicht, dass unsere Haltung ein Problem ist“. Er empfahl Rumsfeld, sich nicht so aufzuspielen. Der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose nannte Rumsfelds Äußerungen „ungehörig“, CDU-Chefin Angela Merkel stufte sie als „problematisch“ ein.

Bundeskanzler Gerhard Schröder bekräftigte im Beisein von Frankreichs Präsident Jacques Chirac in Berlin als gemeinsame Position, dass Krieg niemals als unausweichlich akzeptiert werden dürfe. Fischer und der türkische Regierungschef Abdullah Gül forderten Saddam Hussein auf, mit den UN-Waffeninspekteuren bedingungslos zusammenzuarbeiten. Der Irak müsse die Auflagen der UN vollständig umsetzen, sagte Fischer nach einem Treffen mit Gül in Istanbul.

Fischer wiederholte die Forderung beider Länder, den Waffeninspekteuren im Irak mehr Zeit zu geben. Nach dem 27. Januar, an dem Chefinspekteur Blix dem UN-Sicherheitsrat seinen Bericht vorlegen will, müsse es weitere Berichte geben. China erklärte, seine Position liege sehr nahe bei der Frankreichs. Beide Staaten haben im Sicherheitsrat ein Vetorecht. Nach US-Medienberichten erwägt die US-Regierung, die Mitglieder des Sicherheitsrats zu einer öffentlichen Festlegung zu bringen, dass der Irak die Resolution 1441 bisher nicht erfüllt habe, und daraus die Rechtfertigung für einen Angriff abzuleiten.

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