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Politik: Das fliegende Arbeitszimmer

Der neue Business-Class-Sessel der Lufthansa bietet viel Luxus und eine Ausrede weniger. In der Economy bleibt alles beim Alten

Zum Schlafen ist der Sitz eigentlich viel zu schade. Obwohl er Schlafsitz heißt. Oder im Lufthansa-Jargon: „Private Bed“. Flach wie ein richtiges Bett kann er sein. Ganze zwei Meter ist der neue Business-Class-Sessel der Lufthansa lang, die Armlehnen können versenkt, unangenehme Blicke des Nachbarn durch den ausklappbaren Sichtschutz verhindert werden. Da können selbst die größten Manager wie Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber zwischen New York und Frankfurt entspannt die Augen zudrücken, um sich am Morgen gut ausgeschlafen wieder ins Büro zu stürzen. Wenn da nicht dieser verdammt große Bildschirm wäre – 10,4 Zoll, viermal so groß wie bisher. Und das üppige Film- und Spiele-Angebot. Und das gute Essen. Das alles im Schlaf zu verpassen, wäre verschenkt – vor allem, wenn man an die vielen Euro denkt, die dieser ganze Luxus gekostet hat.

Natürlich ignoriert der Sitz aber auch nicht, dass Geschäftsleute im Allgemeinen eher zur Arbeitswut als zum Müßiggang neigen. Der Laptop-Anschluss war schon bisher Standard, jetzt steht in 11 000 Metern Höhe auch dem Klick ins Internet nichts mehr im Wege: Surfen beim Fliegen. Damit hat der Manager Zugang zu seinen E-Mails und ist jetzt auch über den Wolken ständig erreichbar. Ausreden ziehen nicht mehr – zumindest nicht im fliegenden Arbeitszimmer der Lufthansa.

300 Millionen Euro lässt sich das Unternehmen die neuen Sitze für die betuchte Klientel in ihren Langstrecken-Jets kosten. Bis Mitte 2005 sollen die Sessel eingeschraubt sein. Aber was heißt eigentlich Sessel? In Wahrheit handelt es sich um ein hochdiffiziles, dicht verkabeltes High-Tech- Produkt. Mittels sechs Motoren lässt sich surrend die optimale Sitzposition einstellen. Wen es dennoch drückt, der kann sich von den Sitzpolstern massieren lassen. Das zeigt: Sitzen im Fliegen hat mit Sitzen am Boden heutzutage nur noch wenig zu tun. Zumindest vorne im Flugzeug.

Hinten in der Holzklasse bleibt nämlich alles beim Alten. In den neuen Maschinen gibt es zwar neue, bequemere Sitze, sagt der Lufthansa-Chef, dazu ein paar mehr Laptop-Steckdosen und Internet-Zugänge. Für die Manager, die Economy fliegen müssen, weil ihre Unternehmen sparen (müssen). Bildschirme am Platz wird es bei der Lufthansa dagegen nicht geben. Und größer wird der Abstand zum Vordersitz auch nicht: Es bleibt bei Thrombose-freundlichen 79 bis 81 Zentimetern. Economy-Passagiere sollten während des Fluges also auch künftig etwas spazieren gehen. Platz dazu bietet sich vorne zwischen den neuen Business-Sitzen. Abstand: 1 Meter 50.

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