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Politik: „Das fördert ein Klima der Angst“

Spitzenpolitiker von SPD und Grünen kritisieren Daimler-Chryslers Abwanderungsdrohung

Führende Politiker von SPD und Grünen haben die Konzernführung von Daimler-Chrysler wegen der Drohung, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, scharf angegriffen. Der stellvertretende SPDVorsitzende Wolfgang Thierse und Grünen-Chef Reinhard Bütikofer warfen der Unternehmensleitung vor, mit ihrem Verhalten der Reformbereitschaft in Deutschland zu schaden. „Wer mit Ultimaten hantiert, befördert ein Klima der Angst. Das schadet der generellen Reformbereitschaft in Deutschland“, sagte Thierse dem Tagesspiegel. Am Donnerstag wollen die 160 000 inländischen Beschäftigten des Daimler-Chrysler-Konzerns gegen die Verlagerungspläne protestieren.

Der Bundestagspräsident warnte die Unternehmen auch vor einer „Lohnsenkungsspirale“. Durch immer niedrigere Löhne werde die ohnehin schwache Binnennachfrage zusätzlich gemindert. „Irgendwann müssen sich die Konzernherren fragen, wer ihre Autos eigentlich noch kaufen soll.“

Grünen-Chef Bütikofer sagte: „Das ist genau das, was wir nicht brauchen, wenn wir wollen, dass sich Deutschland bewegt. Das Land bewegt sich nur, wenn die Menschen darauf vertrauen, dass sie bei den Reformen gewinnen können. Mit Drohungen und Erpressungen wird niemand gewonnen.“ Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt sprach von „Erpressungen und Drohungen“ durch die Daimler-Spitze. Die baden-württembergische SPD-Chefin kritisierte eine Tendenz großer Konzerne zur „Maßlosigkeit“ in Tarifverhandlungen. Dadurch werde die Bereitschaft zu Veränderungen geschmälert.

Neben Daimler-Chrysler und Siemens wollen immer mehr Unternehmen die Arbeitszeiten verlängern oder flexibilisieren, um Personalkosten zu senken. Allein in Bayern haben nach Angaben der IG Metall 45 weitere Firmen Anträge auf Arbeitszeitverlängerung und Lohnkürzung gestellt. Der bayerische Bezirksleiter der IG Metall, Werner Neugebauer, beklagte im Gespräch mit dem Tagesspiegel, „dass jetzt viele Trittbrettfahrer auf den Zug der Arbeitszeitdebatte aufspringen und einfach mal probieren wollen, wie viel sie bei uns rausholen können“.

Bei 85 Prozent dieser Betriebe gebe es keine wirtschaftliche Notwendigkeit. „Die wollen bloß mehr Cash“, sagte Neugebauer. Als Beispiel nannte er die Hausgerätehersteller Bosch-Siemens und AEG. AEG habe seinen Gewinn im vergangenen Jahr um 100 Prozent gesteigert; es gebe keinen Grund, über Maßnahmen zur Kostensenkung zu verhandeln.

Siemens-Chef Heinrich von Pierer verteidigte im „Stern“ das Vorgehen. „Fast auf der ganzen Welt wird länger gearbeitet als bei uns.“ Kritikern empfiehlt er, sich in Ungarn oder China umzusehen. „Die arbeiten dort fanatisch, viel härter und zäher als wir. Die wollen nach oben kommen.“ Von Pierer machte sich erneut dafür stark, die Arbeitszeit von Betrieb zu Betrieb festzulegen. Das könne 40 Wochenstunden, in anderen Fällen aber auch 30 Wochenstunden bedeuten. BDI-Präsident Michael Rogowski sprach sich unterdessen in der Zeitschrift „Focus-Money“ für eine generelle Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 bis 42 Stunden aus.

Nicole Adolph[München], Stephan Haselberg

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