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In der Altmark, zehn Kilometer von Stendal entfernt, liegt Insel. Foto: dpa

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Politik: Das ganze Parlament im Dorf

Seit Monaten will ein Ort in Sachsen-Anhalt zwei entlassene Sexualstraftäter wegekeln. Dagegen machte jetzt der Landtag mobil.

Stendal/Magdeburg - Ein Dorf in Sachsen-Anhalt ist am Freitag Schauplatz eines ungewöhnlichen Protests geworden. Der Landtag von Sachsen-Anhalt wollte am Freitag in Insel bei Stendal für die Unteilbarkeit der Menschenrechte demonstrieren. Hintergrund waren die Proteste gegen zwei Ex-Straftäter, die in dem Dorf wohnen.

Aufgerufen zu der Kundgebung unter dem Motto „Die Menschenwürde ist unantastbar!“ hatten die rechtspolitischen Sprecher aller vier Landtagsfraktionen. Erstmals in der Geschichte des Parlaments sei „diese Form des öffentlichen Bekenntnisses“ gewählt worden, sagte eine Parlamentssprecherin.

In dem Ort bei Stendal wird seit August 2011 regelmäßig für einen Wegzug von zwei Sexualstraftätern demonstriert, die nach ihrer Entlassung aus der Sicherungsverwahrung dorthin gezogen waren. Die Proteste hatten sich am Wochenende verschärft, als Demonstranten, darunter Neonazis, zu dem Haus der Männer drängten. Sie konnten nur von der Polizei zurückgehalten werden. Danach wurde das Grundstück mit Sperrzäunen gesichert.

Die Landesregierung hatte daraufhin eine härtere Gangart gegenüber den Protestierenden und den Einsatz aller rechtsstaatlichen Mittel angekündigt, um eine Wiederholung zu verhindern. Eine für Freitag aus den Reihen der rechtsextremistischen NPD angemeldete Kundgebung wurde am Mittwoch von der Polizei in Magdeburg untersagt. Die NPD will gegen das Verbot juristisch vorgehen.

Den Anlass für die neuerlichen Aktionen bildete die Rückkehr eines der beiden Männer. Er war nach Chemnitz gezogen, jedoch hatte eine Boulevardzeitung auch seine neue Adresse bekannt gemacht. Die Information löste auch in Chemnitz Proteste aus, die eine NPD-Politikerin initiiert hatte.

Landtagspräsident Detlef Gürth (CDU) erklärte, der Landtag wolle ein klares Zeichen setzen, dass er die Befürchtungen der Bürger ernst nehme. „Wir wollen aber auch klar und unmissverständlich deutlich machen, dass die Menschenwürde und die Prinzipien unseres Rechtsstaates nicht verhandelbar sind und wir deren Verletzung nicht widerspruchslos hinnehmen“, betonte er. Sorgen und Ängste der Bürger dürften nicht Rechtsextremisten zu Propagandazwecken überlassen werden.

Die Geschehnisse offenbarten aber auch, dass eine viel intensivere gesellschaftliche Diskussion zur Reintegration von Straftätern nötig sei, betonte Gürth. Wer Vorgänge wie in dem Altmark-Dorf künftig verhindern wolle, müsse rechtzeitig „qualifizierte Prozesse“ in Gang setzen und insbesondere die Bürger von Beginn an daran beteiligen.

Dem Landtag zufolge wollten die Abgeordneten nach Sitzungsschluss in Magdeburg nach Insel fahren. Die Kundgebung war für 17.30 Uhr geplant. Danach sollten eine Andacht und eine Gesprächsrunde in der Dorfkirche stattfinden. Nach Angaben der evangelischen Kirche hatten Stendals Superintendent Michael Kleemann und Ortspfarrer Alfredo Rockstroh ihre Teilnahme zugesagt. epd

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