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Politik: Das große Rechnen

Der Vermittlungsausschuss hat seine entscheidende Runde begonnen – sie wird bis Montag dauern

Von

Von Albert Funk

und Robert Birnbaum

Um 14 Uhr war erst mal Pause. Zwei Stunden hatten da die Unterhändler im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zusammengesessen und nur ein Thema besprochen. Das Kernthema der Runde, weil es das komplizierteste ist: Wie die Reformen am Arbeitsmarkt umgesetzt werden können, wer für Langzeitarbeitslose zuständig sein soll, also das neue Arbeitslosengeld II verwaltet. Und vor allem: Wie das Ganze finanziert wird. Denn diese Reform ändert das bisherige System von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gründlich. Da will, so mehrere Teilnehmer der Runde, auch gründlich nachgedacht sein. „Das ist wichtiger als die Steuersenkung“, sagte etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU).

Die Regierung brachte am Mittwoch ein neues Modell in die Runde ein, das verstärkt die ostdeutschen Interessen bedachte. Denn gerade die Ost-Länder hatten bislang große Bedenken gehabt bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Im Osten gibt es noch wenige Sozialhilfeempfänger, aber viele Langzeitarbeitslose, die derzeit Arbeitslosenhilfe beziehen. Das Arbeitslosengeld II soll aber niedriger als diese ausfallen. Das sei ein großer Kaufkraftverlust, monierten die Ost-Ministerpräsidenten. Von einer Milliarde Euro war die Rede. Das Regierungsmodell sieht nun vor, von den Ländern 1,6 Prozentpunkte der Umsatzsteuer an den Bund zu verschieben, weil dieser nun die Sozialhilfe quasi übernimmt, die bislang die Kommunen zahlten, die wiederum an den Länderfinanzen hängen. Von diesen 1,6 Punkten gehen 0,7 an den armen Osten. Zuvor hatte der Bund 8 Steuerpunkte nehmen wollen. Nun sollen die Kommunen weiterhin die Unterkunftskosten der Hilfsbedürftigen zahlen.

So ging die Runde um 14 Uhr auseinander, um dies getrennt nach Regierung und Opposition zu beraten. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) übergab das Papier seinen Beamten: „Rechnet das mal durch.“ Auch seine Ost-Kollegen rechneten. Ihr Problem: Das Angebot des Bundes ist auf vier Jahre befristet. Wie es hieß, hat die Regierung zudem verlauten lassen, dass die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe wohl erst zum 1. Januar 2005 wirksam werden kann. Also doch eine Herausnahme der Hartz-Gesetze aus dem Vermittlungspaket und eine getrennte Einigung im kommenden Jahr? NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) lehnte das strikt ab: „Nein, es darf nichts ausgeklammert werden. Jetzt ist der Zeitpunkt, zu entscheiden.“

„Jetzt“ ist aber noch einige Tage hin. Während Wulff rechnen ließ, trat Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD), Vorsitzender des Vermittlungsausschusses, vor die Kameras. Die abschließende Sitzung werde erst am Montag sein, eventuell sogar am Dienstag, sagte er. An diesem Donnerstag werde sich die Runde nochmals treffen, am Freitag wohl auch, Samstag sei nicht ausgeschlossen. Und einen Gipfel der Parteichefs soll es ja auch noch geben – auch am Montag im Bundesrat. Bevor der Vermittlungsausschuss abschließend tagt. Böhmers Prognose für die Bescherung: „Es wird ein kleines Paket werden.“

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