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Politik: "Das iranische Volk ist den USA dankbar"

Oppositioneller Chefredakteur sieht eine Kluft zwischen Mullah-Regierung und Bevölkerung

Wie ist die Stimmung in Iran?

Unter Präsident Chatami gab es starke Machtkonflikte zwischen Reformern und Konservativen. Deshalb wurden damals viele Menschen verhaftet und viele Zeitschriften verboten. Jetzt, unter dem neuen Präsidenten Ahmadinedschad, hat sich die Situation etwas entspannt. Erstaunlicherweise sind in seiner Amtszeit die Repressalien geringer geworden. Die gehen mit der Opposition milder um.

Was ist der Grund für die neue Milde?

Einmal der internationale Druck auf unsere Regierung. Aber die Konservativen fühlen sich auch sicherer, weil sie jetzt Legislative und Exekutive beherrschen und praktisch alle Machtpositionen innehaben. Die Regierung agiert praktisch wie eine Militärregierung.

Können Sie Beispiele geben?

Meine Parteifreunde und ich, wir gehen jedes Jahr zum Grabmal des früheren Ministerpräsidenten Mossadeq. In früheren Jahren haben sie uns immer gestört und belästigt. In diesem Jahr gab es praktisch keine Probleme. Anderes Beispiel: Ich wohne in einem Teil Teherans, wo viele Haushalte Satellitenschüsseln auf den Dächern haben. Eigentlich müssten die Revolutionären Garden diese Familien bestrafen. Aber wenn man ihnen Geld gibt, ziehen sie ab und lassen einen in Ruhe.

Können Sie in Iran frei arbeiten?

Wir werden verfolgt, obwohl wir gegen Gewalt sind.

Wie sieht das konkret aus?

Diplomaten und Ex-Minister haben in einem Gespräch in unserer Zeitschrift die iranische Atompolitik scharf kritisiert. Dazu haben wir in einem Leitartikel geschrieben, dass der Atomkonflikt heute nicht mit dem Konflikt um die Verstaatlichung der Erdölindustrie Anfang der 50er Jahre vergleichbar ist. Denn anders als damals Ministerpräsident Mossadeq seien die heutigen Herrscher nicht die legitimen Vertreter des Volkes. Das war dann Grund genug, mich vor Gericht zu stellen. Am Ende kam ich mit einer Geldstrafe davon. Und meine Redakteure waren alle verschwunden, weil sie Angst hatten, in den Konflikt hineingezogen zu werden.

Kann die Zeitschrift nun nicht mehr erscheinen?

Doch. Nach der Geldstrafe habe ich sofort neue Leute eingestellt. Wir haben drei hauptamtliche Redakteure und acht Mitarbeiter. Die Auflage unserer Zeitschrift ist 150.000.

Wie sehen Sie die Zukunft Irans?

In Iran sind meines Erachtens Veränderungen in alle Richtungen möglich. Die Bevölkerung hat kein Vertrauen in die Regierung. Und die Regierung ist intern sehr zerstritten. Nehmen Sie zum Beispiel die Angriffe von Ahmadinedschad auf Israel: Das iranische Volk hat mit Israel keine Probleme. Die Konflikte zwischen Israel und Palästina sind nicht unsere Sache. Auch sind die Araber nicht gerade unsere Freunde. Seit dem Beginn unserer Geschichte hatten wir immer ein gutes Zusammenleben mit den Juden.

Gilt das auch im Verhältnis zu den USA?

In Pakistan ist die Regierung amerikafreundlich, aber das Volk nicht. In Iran ist es umgekehrt: Das iranische Volk ist den USA dankbar, dass sie Millionen von uns aufgenommen haben. Die frühere amerikanische Außenministerin Madeleine Albright hat sich entschuldigt, dass die CIA 1953 gegen Ministerpräsident Mossadeq geputscht hat. Das sei ein Fehler gewesen. Das Volk mag die Amerikaner.

Was sollen die USA im Atomstreit tun?

Die Islamische Republik ist durch ihre Politik in eine Sackgasse geraten. Seit die Europäer mit den Amerikanern in der Atomfrage zusammengehen, sind die Mullahs viel zurückhaltender geworden. Jetzt fürchtet die Regierung Sanktionen und weiß nicht, was sie machen soll.

Das Gespräch führte Martin Gehlen.

Esakhan Hatami (45) ist Chefredakteur der iranischen Monatszeitschrift „Iranmehr“ und Vorstandsmitglied der Nationalfront Irans, einer iranischen Oppositionspartei.

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