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Politik: Das ist uns nicht gleichgültig Von Lorenz Maroldt

Irans Präsident Ahmadinedschad wirft dem Westen Gleichgültigkeit vor – Gleichgültigkeit gegenüber „den zionistischen Verbrechen“. Gleichgültig hat sich der Westen – und nicht nur der Westen – tatsächlich lange gezeigt, das ist die zynischironische Note an Ahmadinedschads Worten.

Irans Präsident Ahmadinedschad wirft dem Westen Gleichgültigkeit vor – Gleichgültigkeit gegenüber „den zionistischen Verbrechen“. Gleichgültig hat sich der Westen – und nicht nur der Westen – tatsächlich lange gezeigt, das ist die zynischironische Note an Ahmadinedschads Worten. Aber es war eine nonchalante, dekadente Gleichgültigkeit gegenüber einer mörderischen Anmaßung: im Namen des Islam die Vernichtung Israels zu propagieren, wie es Ahmadinedschad gerade tat, wie es aber auch seit vielen Jahren bei Demonstrationen in Teheran und anderswo auf der Welt nahezu unbeanstandet geschieht. Zum Beispiel in Berlin.

Diese Gleichgültigkeit versteckt sich gerne hinter einer schalldichten Fassade vermeintlich überlegener Liberalität. Erst wenn die Wand wackelt, wird ein bisschen reagiert: mit Broschüren. „Friedensschaffung erfordert auch den Dialog mit Extremisten“, stand auf einer solchen des Auswärtigen Amts, die in Frankfurt zur Buchmesse auslag. Gleich nebenan präsentierte der Staat Iran Bücher, in denen Muslime zur Vernichtung Israels und des Zionismus, dem „tödlichen Krebstumor“, aufgerufen werden. Na dann: gute Unterhaltung.

In Teheran trägt man bei der Demonstration zum Al-Quds-Tag gerne die Sprengstoffgürtelattrappe. In Berlin, wo heute Extremisten ihren Hass auf Israel und andere „Ungläubige“ offen bezeugen wollen, ist das eher nicht zu erwarten. Doch bedeutet das nicht, dass sie es nicht gerne würden. Nur hatte hier ein palästinensischer Vater, der seine Tochter als „Märtyrerin“ kostümierte, schlechte Erfahrungen mit der Justiz gemacht. Ohnehin haben es demonstrierende Islamisten in Berlin nicht mehr ganz so leicht wie noch vor ein paar Jahren. Seit 1995 marschierten sie stets am Ende des Fastenmonats Ramadan durch die Stadt; bis vor zwei Jahren skandierten sie unbehelligt ihre Parolen: „Tod Israel, Tod den USA“.

Erst 2003 gab es eine Gegendemonstration, zu der Mitglieder der Grünen und der jüdischen Gemeinde aufgerufen hatten. Im vergangenen Jahr dann erklärte Innensenator Körting, zugespitzte Meinungen müsse eine Demokratie zwar ertragen, aber die Grenze sei überschritten, „wenn jemand das Existenzrecht Israels in Frage stellt“. Bis zu dieser Erkenntnis hatte es lange gedauert, und Körting fügte noch hinzu: Inhalt der Demonstrationsanmeldung sei die Vernichtung Israels nicht. Sollte heißen: Pech gehabt, leicht machen sie’s uns nicht, diesen antisemitischen, antizivilisatorischen Bekenntniswahn zu verbieten.

Doch Absicht und Ansicht der Extremisten sind selbst dann, wenn sie schweigend marschieren, für jeden unüberhörbar. Ihr Lautsprecher steht in Teheran; sie demonstrieren in aller Welt, auch in Berlin, für jene, die dort fanatisch rufen: Befreit Jerusalem, vernichtet Israel! Und der Furor gilt nicht Juden allein. Auch wer die Zionisten anerkenne, droht Irans Führung, werde im Feuer der unversöhnlichen Wut der Muslime verbrennen. Das ist nicht mit Gleichgültigkeit zu ertragen, nicht dort, nicht hier. Politisch hat es deshalb jetzt scharfe Reaktionen weltweit gegeben. Gesellschaftlich? Da steht die Antwort noch aus. Dabei muss niemand den Verlauf oder gar das Ende einer gerade neu angezettelten Debatte über „Leitkultur“ abwarten. In allen wichtigen Fragen gibt es bereits den großen Konsens. Was hingegen noch weitgehend fehlt, ist die Bereitschaft, sich dazu auch laut und stark zu bekennen. Heute wäre dafür eine gute Gelegenheit.

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