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Politik: „Das ist unsere letzte Chance!“

Zyperns Türken hoffen auf ein Ja zur Vereinigung, die Griechen auf ein Nein. Auch die Kirche macht Propaganda

Zehn Stunden steht Ivi Adamidi nun schon vor dem Infostand auf der Platia Eleftherias, dem Freiheitsplatz in Nikosia auf Zypern. Sie verteilt Flugblätter, Broschüren und Anstecknadeln. „Nai“ steht auf den runden grünen Buttons: Ja. „Ich bin hundemüde“, sagt die junge Frau, „aber wir dürfen jetzt nicht schlappmachen!“ Wenige Schritte entfernt steht die Konkurrenz. „Wir werden gewinnen“, sagt Omiros Charalambous. „Ochi“ prangt auf seinem T-Shirt: Nein.

Ja oder Nein: Am Samstag müssen die Zyprer die Antwort geben. In getrennten Volksabstimmungen werden die griechische und die türkische Volksgruppe auf der seit der türkischen Militärinvasion 1974 geteilten Insel über den Einigungsplan des UN-Generalsekretärs Kofi Annan entscheiden. „Das ist unsere letzte Chance für eine Wiedervereinigung“, sagt Ivi Adamidi, „wenn es jetzt nicht klappt, dann nie“. Sie will, dass ihre zweieinhalbjährige Tochter „in einem friedlichen, vereinigten Land aufwächst“. Ideal sei der UN-Plan nicht, „aber es gibt keine Alternative“, erklärt sie. „Auch wir wollen eine Lösung der Zypernfrage“, sagt Omiros Charalambous, „aber nicht diese!“ Der Annan-Plan, so argumentiert der junge Rechtsanwalt, werde nur neue Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen auslösen. Sein Hauptkritikpunkt: „Es ist doch absurd, dass alle EU-Bürger im türkischen Teilstaat Grundbesitz erwerben dürfen, nur die griechischen Zyprer nicht! Würde ein Deutscher für sein Land so etwas akzeptieren?“

300 Meter sind es von der Platia Eleftherias zur Demarkationslinie. Am Cafe Romios ist Nikosias beliebteste Einkaufsstraße plötzlich zu Ende. Mauer und Stacheldraht trennen den griechischen Süden vom türkischen Norden der Inselhauptstadt. Auch dort ist der Annan-Plan das alles beherrschende Thema: „Evet“ oder „Hayir“, Ja oder Nein? Zu Zehntausenden demonstrieren die Zyperntürken seit Monaten für die Einigung. Ihr Führer Rauf Denktasch lehnt den Plan zwar ab. Aber seine Gefolgschaft schwindet. Umfragen lassen erwarten, dass zwei Drittel der türkischen Zyprer zustimmen werden. Nur so, sagen viele von ihnen, öffne sich die Tür zur EU.

Die Zyperntürken mögen dem Annan-Plan zustimmen, im Süden aber sind die Befürworter in der Defensive. Über 60 Prozent Nein-Stimmen erwarten die Meinungsforscher. Die Neinsager aus dem Lager des Staatspräsidenten Tassos Papadopoulos setzen alle Hebel in Bewegung, um ein Ja zu verhindern. Allerdings erwartet die griechisch-zyprische Regierung neue Verhandlungen, sollte der UN–Plan scheitern. Ein Nein zum Annan-Plan in seiner vorliegenden Form bedeute kein Nein zu einer Lösung, sagte Außenminister Jorgos Jakovou am Donnerstag in Nikosia. Die Zustimmung der Inselgriechen zu dem Plan ist noch unwahrscheinlicher geworden, nachdem Russland in der Nacht zum Donnerstag im UN-Sicherheitsrat eine Resolution blockierte, die den Zyprern Garantien für ihre Sicherheit und die getreue Umsetzung des Friedensplanes in Aussicht stellen sollte. Spekulationen, mit seinem Veto sei Russland einem Wunsch der griechisch-zyprischen Regierung gefolgt, wies Jakovou, der am Dienstag überraschend nach Moskau gereist war, entschieden zurück.

Die Befürworter des Einigungsplans haben jedenfalls große Schwierigkeiten, sich Gehör zu verschaffen. So verweigerten die öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt CyBC und ein Privatkanal EU-Kommissar Günter Verheugen Interviews. Auch der UN-Zypernbeauftragte Alvaro de Soto durfte im CyBC-Fernsehen nicht befragt werden. Selbst die mächtige griechisch-orthodoxe Kirche mischt mit bei der Angstkampagne. Wer mit Ja stimme, verspiele nicht nur sein Vaterland, sondern auch den Zugang zum Paradies, warnt Bischof Pavlos, Exil-Oberhirte der türkisch besetzten Diözese Kyrenia. Bischof Chrysostomos von Paphos hält auch nichts von der Vereinigung. Es sei den Griechen nicht zuzumuten, die Inseltürken länger „durchzufüttern“, die seien „immer schon faul gewesen und vermehren sich wie die Kaninchen“, geifert der griechische Gottesmann. Und auch Ivi Adamidi mit ihrem Infostand in Nikosia spürt, dass die Auseinandersetzung eskaliert. Als sie am nächsten Morgen zurückkommt, ist nur ein Trümmerhaufen übrig.

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