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Politik: „Das Jahr 2000 steckt allen in den Knochen“

Der FDP-Wahlbeobachter Alexander Graf Lambsdorff über die Abstimmung in Florida

Herr Lambsdorff, welche Wahlkreise haben Sie bislang besucht?

Ich war in Broward County und in Miami Dade. In Broward County, das liegt nördlich von Miami, gibt es 550 Wahllokale. Hier hat Al Gore vor vier Jahren 67 Prozent der Stimmen bekommen.

Diesmal waren plötzlich Zigtausende von Briefwahlzetteln spurlos verschwunden. Bei der Post war man ratlos. Wurden die Zettel absichtlich beiseite geschafft?

Dafür gibt es keinen Beleg. Mir wurde von beiden Seiten versichert, dass es sich nicht um vorsätzlichen Betrug handelt, sondern um einen schlimmen Fall von Inkompetenz.

Was ist Ihr Gesamteindruck von der Wahl?

Auf beiden Seiten wurde bis zuletzt mit äußerst harten Bandagen gekämpft. Republikaner und Demokraten haben wirklich alles getan, um ihre Anhänger zu mobilisieren. Und die Bereitschaft, der Gegenseite Wahlbetrug zu unterstellen, ist groß.

Woran liegt das?

An den Umständen der letzten Wahl. Der wochenlange Streit um die Nachauszählung der Stimmen hat einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Das Jahr 2000 steckt allen in den Knochen. Diese Erfahrung definiert den Prozess.

Damals wurde in Florida vielerorts per Stanzkarte gewählt. Heute werden neue elektronische Maschinen benutzt. Das sind berührungsempfindliche Geräte, die an Bankautomaten erinnern. Doch auch die sind umstritten.

Das Touchscreen-System ist auf jeden Fall eine erhebliche Verbesserung. Die Geräte lassen sich leicht bedienen. Sie sind klar und übersichtlich gegliedert. Einige Demokraten indes misstrauen der Technik. Sie kritisieren, dass keine Papierausdrucke angefertigt werden, die eine spätere Kontrolle der Wahl ermöglichen.

Haben Sie Anhaltspunkte gefunden, dass gemogelt oder gar betrogen wird?

Bislang gibt es keine belastbaren Indizien, die eine solche Behauptung beweisen.

Neue Wähler sind in Rekordzahl registriert worden. Das weckt zusätzlichen Argwohn, besonders auf der Seite der Republikaner.

Das ist weiterhin der zentrale Schwachpunkt im amerikanischen Wahlsystem. In einem Land, in dem es weder eine Meldepflicht gibt noch Personalausweise oder ein zentrales Wahlregister, wissen die Wahlhelfer nie wirklich hundertprozentig, wen sie vor sich haben. Das Problem von doppelt oder gar dreifach registrierten Wählern ist nicht gelöst worden.

Das Gespräch führte Malte Lehming.

Alexander Graf Lambsdorff , 37, ist Abgeordneter der FDP im Europaparlament. Der Amerika-Experte wurde von den

Liberalen als Wahlbeobachter nach Florida geschickt.

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