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Politik: Das Machtwort der Ministerin

Ulla Schmidt drückt aufs Tempo. Pünktlich zum 1.

Ulla Schmidt drückt aufs Tempo. Pünktlich zum 1. Juli werde man mit den Behandlungprogrammen für chronisch Kranke in der gesetzlichen Krankenversicherung beginnen, verkündet die Gesundheitsministerin mit grimmiger Miene. Und droht schon mal denjenigen, die diesem Zeitplan noch im Wege stehen könnten: den Ärzten und Krankenkassen. Sollten sich die Akteure im Koordinierungsausschuss nicht einigen, werde es eben eine "staatliche Ersatzvornahme" geben. "Ich habe", versicherte die SPD-Politikerin, "keine Probleme damit."

Tatsächlich muss es sogar noch schneller gehen mit der Einigung. Bevor die Ministerin den Startschuss geben kann, müssen die sogenannten Disease-Management-Programme für Diabetiker, Asthmatiker, Brustkrebs-Patientinnen und Herzkranke zertifiziert sein. Bis Mitte Mai braucht Ulla Schmidt das Plazet der Selbstverwaltung. Und die ist sich bislang alles andere als einig. Noch immer streiten Ärzte und Kassen um Qualitätsstandards, Kontrolle und Kosten des Vorstoßes.

Manfred Richter-Reichhelm etwa, der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), befürchtet, dass die Kassen zu tiefen Einblick in manche Krankheitsgeschichte erhalten könnten - und malt das Gespenst des "gläsernen Patienten" an die Wand. "Die Regel, dass alle Daten auf der frühest möglichen Stufe zu pseudonymisieren sind, muss unbedingt eingehalten werden."

Auch über die Qualitätsstandards sind Ärzte und Versicherer uneins. Die Versuchung, sich ein Chronikerprogramm "Light" bezahlen zu lassen, sei für einige Kassen sehr groß, stichelt der KBV-Chef. Nötig seien "verbindliche medizinische Grundlagen, die weder regional noch nach Kasse unterschiedlich sein dürfen". Durch die Blume äußert Richter-Reichhelm zudem finanzielle Begehrlichkeiten: Nicht nur Einschreibung und Dokumentation müssten den Ärzten entgolten werden, sondern eventuell auch Zusatzkosten durch höhere Versorgungsqualität.

Zur Debatte stünden doch keine neuen Leistungen, nur bessere Vernetzung und Koordination, pfeift ihn Eckart Fiedler, Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, zurück. Und wer die geplanten Ausgleichszahlungen an die Kassen für jeden freiwillig eingeschriebenen Teilnehmer beargwöhne, solle sagen, wie Disease-Management anders funktionieren könne. Bei der Versorgung chronisch Kranker gebe es hier zu Lande "erhebliche Defizite". Ein Wettbewerb um diese Klientel existiere nicht, begehrt seien "bei den Billigkassen nur Junge und Gesunde".

Neben der besseren Versorgung chronisch Kranker erhofft sich Ulla Schmidt von den Programmen auch handfeste Ersparnisse. Prophylaxe, gezieltere Behandlung sowie der Verzicht auf unnötige Doppeluntersuchungen zahlten sich aus, versichert sie. Allerdings möglicherweise erst längerfristig. Dass die ehrgeizigen Programme auch Mehrausgaben von bis zu drei Milliarden Euro verursachen könnten, wie die Unternehmensberatung McKinsey in einer Studie warnt, weist die Ministerin als Spekulation zurück. Gesundheitsökonom Karl Lauterbach springt ihr nur vorsichtig bei. Die Kostenentwicklung hänge von den Leitlinien ab, um die man derzeit ringe. Da aber ökonomische Aspekte mitberückbesichtigt würden, rechne er "eher mit einer Stabilisierung".

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